Kavanaughs Wahl ans Oberste US-Gericht wird die US-Politik radikal verändern, analysiert der USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Josef Braml in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt.
Mit der Besetzung Brett Kavanaughs, des nunmehr zweiten obersten Richters auf Lebenszeit, will US-Präsident Donald Trump seine politische Zukunft sichern, eine mögliche Wiederwahl befördern und seine Machtbefugnisse ausdehnen. Damit wird die Innen- und Außenpolitik der USA weit über seine möglichen beiden Amtszeiten hinaus radikal verändert.
Jede Richterbesetzung in dem neunköpfigen Gremium kann entscheidend sein, vor allem für Unternehmen und Wirtschaftsverbände, die keine Regulierungen ihrer Geschäftsgebaren wollen. Mit Neil Gorsuch hatte Trump bereits seinen ersten regulierungsfeindlichen Mitstreiter im Obersten Gerichtshof lanciert. Ebenso hat sich Brett Kavanaugh im Laufe seiner langjährigen juristischen Karriere gegen staatliche Eingriffe in die wirtschaftliche Sphäre ausgesprochen.
Systematisch lanciert die Trump-Administration damit ihre Strategie des Staatsabbaus auch im Bereich der richterlichen Gewalt.
Der Oberste Gerichtshof greift auch bei der (De-) Regulierung der Wahlkampffinanzierung ein, Trump kann damit die Qualität der amerikanischen Demokratie beeinträchtigen. Dass Geld ungehindert die politischen Spielregeln zugunsten mächtiger Partikularinteressen bestimmen kann – auch dafür hat der Supreme Court gesorgt.
Nach seiner bisherigen Auslegung würde mit einer Begrenzung von Wahlkampfspenden das Grundrecht auf Redefreiheit beschnitten. Diese Interpretation sollte nach Dafürhalten mächtiger Geldgeber so bleiben, damit sie weiterhin ihre Interessen kommunizieren können.
Nicht nur seine wirtschaftslibertär gesinnten Geldgeber, sondern auch Trumps christlich-rechte Wählerbasis könnten den Ausschlag bei künftigen Kongress- und Präsidentschaftswahlen geben. Christlich-rechte Wählerinnen und Wähler stimmten mit überwältigender Mehrheit ganz pragmatisch für den nicht so bibelfesten und wenig keuschen Trump, weil er ihnen zusicherte, als Präsident nur von ihnen gebilligte Richter für den Obersten Gerichtshof zu nominieren.
Mit der Veränderung der Mehrheit des Supreme Court soll vor allem das liberale Abtreibungsurteil aus dem Jahre 1973 revidiert werden.
Am 6. November steht für die Republikaner viel auf dem Spiel.
Das heftig umstrittene Besetzungsverfahren für Richter Kavanaugh hat die christlich-rechte Basis der Republikaner mobilisiert – mitten in der entscheidenden Phase des Wahlkampfs für die Kongresswahlen: Am 6. November steht viel auf dem Spiel, sowohl für die Republikaner als auch für Präsident Trump.
Wenn die Republikaner neben dem Abgeordnetenhaus auch den Senat verlören, könnte Trump keine weiteren Richter im Sinne seiner Wählerbasis und finanzkräftigen Unterstützer nominieren. Trump müsste sich auch auf wirksamere parlamentarische Kontrollen seiner (Außen-) Politik einstellen.
Bereits jetzt beeinflusst der US-Präsident über die Judikative die Gewaltenkontrolle – und damit auch seine eigenen Machtbefugnisse. Nach der umkämpften Bestätigung durch den Senat könnte der von Trump nominierte Richter Kavanaugh eine umso härter geführte Kontroverse mitentscheiden: ob etwa Robert Mueller oder der Kongress den US-Präsidenten bei den Sonderermittlungen in der Russland-Affäre zu einer eidesstattlichen Aussage nötigen kann.
Präsidenten sollten, so Kavanaugh in einer früheren Verlautbarung, nicht mit juristischen Verfahren von der Ausführung ihres Amtes abgehalten werden. Gleichwohl solle die Immunisierung eines Präsidenten von einer politischen Gewalt, namentlich vom Kongress, gesetzlich geregelt werden.
Neben dem Kongress ist auch der Supreme Court ein wichtiger Spieler im institutionellen Machtgefüge der „checks and balances“, der konkurrierenden und sich damit gegenseitig kontrollierenden politischen Gewalten, in den USA. Immer dann, wenn der Kongress versagt, die Gewalt des Präsidenten zu kontrollieren, kommt der Oberste Gerichtshof ins Spiel.
Ebenso wie Gorsuch hat sich auch Kavanaugh für umfangreiche Machtbefugnisse des Präsidenten ausgesprochen, vor allem in Fragen nationaler Sicherheit. Das ist nicht ohne Belang: US-Präsidenten konnten immer wieder nationale Krisen dazu nutzen, ihre Kompetenzen auch auf Kosten der beiden anderen politischen Gewalten auszuweiten.
Wenn man bedenkt, dass sich Präsident Trump nicht nur im Innern, sondern auch außenpolitisch von immer mehr „Feinden“ bedroht sieht, stimmt das umso bedenklicher: mit Blick auf die Gewaltenkontrolle und demokratische Ordnung in den USA, aber auch hinsichtlich der regelbasierten Weltordnung.
Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog usaexperte.com.