In einem Interview mit der dänischen Tageszeitung „Dagbladet Information“ erläutert USA-Experte Josef Braml die hartnäckigen Forderungen der USA, die auch vom neuen US-Präsidenten Biden an Europa gerichtet werden und gibt Empfehlungen, wie die Europäer darauf reagieren sollten.
Dagbladet Information: Was fordert Biden von Europa, vor allem im Bereich Verteidigung und Handel – wo gibt es Common Ground und wo gar nicht?
Josef Braml: Biden wird ebenso wie seine Vorgänger Trump und Obama die meisten Europäer wegen ihrer mangelnden Bereitschaft kritisieren, mehr Geld – konkret das Nato-Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung – für Rüstung auszugeben.
Die Europäer könnten dagegen selbstbewusster auftreten, indem sie den Verantwortlichen in Washington aufzeigen, dass sich die USA seit Jahrzehnten nur deshalb ihre militärische Rüstung haben leisten können, weil ausländische Kreditgeber bereit gewesen sind, die zunehmende Verschuldung privater und staatlicher Haushalte in den USA zu finanzieren.
Europäische Staaten und institutionelle Anleger könnten ihre Kapitalreserven auch gewinnbringender und strategisch sinnvoller in den Euro und die ökonomische und militärische Ertüchtigung Europas investieren, um den Kontinent für den geo-ökonomischen Wettkampf zu wappnen. Nur der europäische Verbund gewährleistet Marktmacht und Handlungsoptionen, damit Europas Länder weiterhin selbstbestimmt wirtschaften und leben können.
Wie ordnen Sie Biden außenpolitisch ein, wenn wir den Aktionismus von Bush und Obama und den „America First“-Kurs von Trump betrachten: Vor allem innenpolitisch orientiert, pragmatisch und unideologisch, überwiegend handelsgesteuert?
Biden wird ebenso wie seine Vorgänger versuchen, innenpolitisch seine Wählerinnen und Wähler zu bedienen und außenpolitisch amerikanische Interessen durchzusetzen. Wegen ihrer durch die Pandemie verschärften wirtschaftlichen Notlage und enormen Verschuldung werden die USA umso mehr versuchen, aus der ökonomischen und insbesondere militärischen Abhängigkeit ihrer Verbündeten in Europa Kapital zu schlagen.
Um das Wohlwollen der „Schutzmacht“ zu erwirken, dürfen Verbündete amerikanische Rüstungsgüter wie Kampfflugzeuge kaufen, damit technologisch abhängig bleiben und zudem das Handelsdefizit der USA verringern helfen. Ebenso werden die europäischen Alliierten aufgefordert, anstelle des billigeren russischen Gases mehr „freedom gas“ aus den USA zu beziehen und für die zum Transport nötige Infrastruktur, etwa Flüssiggasterminals, zu bezahlen.
Welche großen Fallen sehen Sie (von Europa aus gesehen) in der transatlantischen Beziehung in den nächsten Jahren?
Der Wettkampf zwischen den USA und China um die Ressourcen der Zukunft ist in vollem Gange und wird mit zunehmender Härte geführt. Europa ist zwischen die Fronten geraten. Nach dem Ansinnen der USA darf dem strategischen Rivalen China künftig auch nicht mehr durch wirtschaftlichen Austausch geholfen werden, ökonomisch und technologisch aufzusteigen. Vielmehr soll mit allen Mitteln verhindert werden, dass China die USA in den technologischen Schlüsselbereichen überholt.
Um Chinas ökonomische und militärische Modernisierung zu drosseln, forcieren die Vereinigten Staaten anstelle der bisherigen Politik der Einbindung und Integration eine Strategie der wirtschaftlichen „Entkoppelung“. Mit ihrem „Economic Prosperity Network“ versuchen die USA, weltweit eine Allianz „vertrauenswürdiger Partner“ zur Verlagerung ihrer Wertschöpfungsketten aus China zu bewegen. Es ist zu befürchten, dass die USA diesen kompromisslosen Kurs gegen China weiterfahren werden, weil sie auch selber weniger zu verlieren haben als andere Länder, etwa die Europäer.
Dr. Josef Braml ist USA-Experte und Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission – einer globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider Amerikas, Europas und Asiens zur kooperativen Lösung geopolitischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.