Transatlantische Energie- und Klimakooperation

Die auf fossile Energieträger fokussierte Energiepolitik des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump schadete nicht nur Amerikas Alliierten, sondern auch den USA selbst, weil sie dem Hauptenergiekonsumenten China strategisch in die Karten spielte. Hingegen könnte eine von der neuen Regierung unter Präsident Joe Biden forcierte transatlantische Kooperation bei der Weiterentwicklung zukunftsfähiger Energien und Technologien eine verbesserte Energieversorgungssicherheit, dringend notwendige wirtschaftliche Wachstumsimpulse und Klimaschutz generieren – im Interesse der USA und der Europäischen Union – lautet die Empfehlung des USA-Experten Josef Braml in einem Beitrag in der Ausgabe Mai/Juni 2021 der Zeitschrift „Die Politische Meinung“ der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Die Entwicklung erneuerbarer Energien und moderner Umwelttechnologien bietet für ein innovationsorientiertes Land wie die Vereinigten Staaten die Möglichkeit, sich aus der Abhängigkeit der internationalen Preisbildung fossiler Brennstoffe zu befreien, die durch autokratische Führer in problematischen Weltregionen beeinflusst werden kann. Angesichts der Verwundbarkeit der amerikanischen Wirtschaft ist es insbesondere erforderlich, energiesparende Technologien sowie alternative Kraftstoffe für die bisher auf fossile Brennstoffe angewiesenen Wirtschaftszweige und den Transportsektor zu entwickeln.

Dabei könnten die USA auch auf die Kooperation mit den EU-Mitgliedstaaten zählen, die ihre Wirtschaft mit einem European Green Deal wiederbeleben wollen. Die EU will die Corona-Wirtschaftskrise für den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Digital-Wirtschaft nutzen.

Im Kampf gegen die Folgen der Coronakrise haben die EU-Staaten das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte verabschiedet. Auf einem Sondergipfel in Brüssel im Juli 2020 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf ein umfassendes Corona-Hilfspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro, um in die Krisenbewältigung sowie die ökonomische und ökologische Zukunft Europas zu investieren.

Bereits am 11. Dezember 2019 stellte die Europäische Kommission unter Führung Ursula von der Leyens das Konzept des European Green Deal vor. Nach diesem ehrgeizigen Plan soll Europa als erster Kontinent klimaneutral werden und bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der EU auf Null reduzieren. Der European Green Deal umfasst eine Reihe von Maßnahmen in den Bereichen Finanzmarktregulierung (Stichwort: sustainable finance), Energieversorgung, Verkehr, Handel, Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft.

Saubere Energie-Revolution und Umweltgerechtigkeit

Die dafür nötigen Regulierungen – Gesetzesinitiativen für eine höhere Bepreisung fossiler Energieträger sowie verschärfte CO2-Grenzwerte – sollten gemeinsam mit der neuen Biden-Regierung austariert und auch auf internationaler Ebene ausgehandelt werden. Europas Verantwortlichen muss klar sein, dass ihre Bemühungen für klimaneutrales Wirtschaften weniger erfolgreich sein werden, wenn es nicht gelingt, die größte Volkswirtschaft der Welt zum Umdenken zu bewegen. Die neue Biden-Regierung bietet dafür eine gute Chance.

Bereits im Wahlkampf legte US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden seinen „Plan für eine saubere Energierevolution und Umweltgerechtigkeit“ vor.[1] Demnach sollen die USA in der nächsten, für die globale Marktführerschaft entscheidenden Dekade „eine historische Investition in saubere Energie und Innovation“ tätigen: in zehn Jahren insgesamt 400 Milliarden Dollar an staatlichen Mitteln für saubere Energie und Innovation.

Auf beiden Seiten des Atlantiks werden umweltpolitische Maßnahmen auch vom Privatsektor unterstützt. Vorausschauende Anleger haben bereits erkannt, dass das Klimarisiko ein Investitionsrisiko ist. In seinem „Investoren-Brief für das Jahr 2020“ warnte etwa Larry Fink, Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzender der US-Investmentgesellschaft BlackRock, dass sich das Umweltbewusstsein „schnell verändert“. Deshalb erwartet der Kopf dieser weltweit größten Fondsgesellschaft eine „grundlegende Umgestaltung des Finanzwesens“. Denn die „Beweise für das Klimarisiko“ werden Investoren zwingen, „Kernannahmen über modernes Finanzwesen neu zu bewerten“.[2]

Regelwerk für nachhaltige Finanzanlagen

Dafür müsste auch die Politik ihren bisherigen Horizont nationalstaatlicher Lösungen mit der Perspektive eines erweiterten internationalen ordnungspolitischen Rahmens überdenken. Unternehmen sollten dazu verpflichtet werden, das Risiko offenzulegen, das der Klimawandel mit sich bringt, damit die Märkte dieses Risiko „bepreisen“ können.

Seit Längerem arbeitet die EU-Kommission an einem Regelwerk für nachhaltige Finanzanlagen. Mit der Taxonomie-Verordnung vom 18. Juni 2020 schuf die Europäische Union die weltweit erste „grüne Liste“ für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Dieses Klassifizierungssystem können Anleger verwenden, wenn sie in Projekte und Wirtschaftstätigkeiten mit erheblichen positiven Klima- und Umweltauswirkungen investieren wollen.[3]

Zukunftsinvestitionen könnten auch durch „Schutz-Steuern“ abgesichert und finanziert werden: Antizyklische – an den Marktpreis für Öl gekoppelte – Steuern auf fossile Kraftstoffe würden sowohl in den USA als auch Europa Investitionen in erneuerbare Energien finanzieren helfen und diese auch vor weiteren plötzlichen, möglicherweise von der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) initiierten, Preiseinbrüchen schützen. Mit „Steuern“ könnte die Steuerungswirkung der Energiepreise konsequent genutzt werden, um Energienachfragern und -anbietern größere Planungssicherheit zu ermöglichen.

Um die innenpolitische Akzeptanz zu fördern, könnten die Steuereinnahmen nicht nur zur Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien, sondern auch zur steuerlichen Entlastung der Bevölkerung verwendet werden. Das wären dies- und jenseits des Atlantiks auch innenpolitisch schlagende Argumente. Sie könnten den durch die Corona-Wirtschaftskrise schwer in Mitleidenschaft gezogenen westlichen Ländern dringend notwendige, optimistische und nachhaltige Zukunftsperspektiven geben.

Selbst bislang auf fossile Energieträger fokussierte Unternehmen wie ConocoPhillips und ExxonMobil sowie die Automobilkonzerne Ford und General Motors wären für ein derartiges Zukunftsprojekt zu gewinnen. So befürwortete im Februar 2020 der Climate Leadership Council, eine partei- sowie wirtschaftliche und ökologische Interessen übergreifende Vereinigung, die Idee stetig steigender Kohlenstoff-Steuern.[4]

Schon seit Längerem favorisiert der gebündelte wissenschaftliche Sachverstand in den USA dieses steuernde Vorgehen. Anstelle diverser bürokratischer Regulierungen – die weitaus weniger CO2-Reduzierungen bewirken – sollte das Marktversagen mit Steuern behoben werden, so die über das Wall Street Journal im Januar 2019 öffentlich verbreitete Empfehlung von über 3.500 renommierten US-Ökonomen, darunter 27 Nobelpreisträger, vier ehemalige Chefs der US-Notenbank und 15 ehemalige Leiter des Council of Economic Advisers – führende Köpfe, die bisherige Präsidenten der Vereinigten Staaten in Wirtschaftsfragen beraten haben.[5]

Mit „Steuern“ könnte auch im eigentlichen Wortsinn die Steuerungswirkung der Energiepreise konsequent genutzt werden. Um zu verhindern, dass einige Staaten Trittbrett fahren, Steuervorteile nutzen und ihre Wettbewerber übervorteilen, sollten auch international koordinierte Maßnahmen, etwa eine „carbon border tax“, erwogen werden.

So will die Europäische Kommission eine CO2-Steuer auf Importe erheben, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen nicht zu beeinträchtigen, insbesondere in energieintensiven Industrien. Die „Kohlenstoff-Grenz-Steuer“ ist ein zentrales Thema im European Green Deal der Europäischen Kommission; sie sollte mit den USA und anderen innovationsorientierten Staaten sowie mit dem Regelwerk der Welthandelsorganisation abgestimmt werden, um internationale Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

Diese Anpassungen sollten in Aushandlungsprozessen auf internationaler Ebene gemanagt werden. So könnten Anbieter und Nachfrager auf multilateraler Ebene der G20 und der Internationalen Energieagentur ins Gespräch gebracht werden. „Never waste a good crisis“ – in diesem Sinne sollten weltweit die Verantwortlichen ihre milliardenschweren nationalen und internationalen Konjunkturprogramme zur Eindämmung der Corona-Wirtschaftskrise auch dafür nutzen, um Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu fördern.

Denn es ist beides möglich: zum einen mit Blick auf die aktuelle Rezession zeitnahe und zielgerichtete Impulse zu geben, um den privaten Konsum und die unternehmerische Investitionstätigkeit kurzfristig anzukurbeln. Flankiert durch politische Rahmenbedingungen (Steuern oder Emissionsrechtehandel) können sich Konjunkturpakete zum anderen langfristig als transformativ erweisen, indem sie die Struktur der Wirtschaft nachhaltig verändern.

Ausführlicher siehe Josef Braml, „Transatlantic Action Plan: Energy Policy and Climate Change“, in: Policy Brief, Harvard Belfer Center Project on Europe and the Transatlantic Relationship / German Council on Foreign Relations, January 2021, http://www.belfercenter.org/publication/transatlanticaction-plan-energy-policy-and-climate-change [letzter Zugriff: 17.03.2021].

Zum Autor Josef Braml: Geboren 1968 in Regen (Bayern), promovierter Politikwissenschaftler, USA-Experte des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission. Aktuelle Analysen des Autors auch über seinen Blog „usaexperte.com“.


[1] Vgl. Joe Bidens Campaign Website, Fact Sheet: 9 Key Elements of Joe Biden’s Plan for a Clean Energy Revolution, https://joebiden.com/9-key-elements-of-joe-bidens-plan-for-a-clean-energy-revolution/ [letzter Zugriff: 17.03.2021].

[2] Larry Fink, A Fundamental Reshaping of Finance, 2020, https://www.blackrock.com/corporate/investor-relations/larry-fink-ceo-letter [letzter Zugriff: 17.03.2021].

[3] Vgl. die die umfangreichen Arbeiten der EU-Kommission zur Regulierung von nachhaltigen Finanzanlagen, die sogenannte EU Taxonomy: https://ec.europa.eu/info/publications/sustainable-finance-technical-expert-group_en, letztes Update: Juli 2020 [letzter Zugriff: 17.03.2021].

[4] „Editorial Board, Democrats and Republicans Should Both Embrace this Common-sense, Planet-saving Reform“, in: Washington Post, 13.02.2020.

[5] „Economists’ Statement on Carbon Dividends. Bipartisan Agreement on How to Combat Climate Change“, in: Wall Street Journal, 17.01.2019.