Die Anhörung von Botschafter Sondland scheint für Trump desaströs verlaufen zu sein. Auf den ersten Blick. Denn tatsächlich deutet sich an, dass vieles gut für Trump läuft, sagt USA-Experte Josef Braml im Interview mit tagesschau24.
Tagesschau 24: Könnte die Zeugenaussage von US-Botschafter Gordon Sondland nun nicht doch ein Wendepunkt für eine Amtsenthebung von Präsident Trump sein?
Josef Braml: Ich sehe das nicht so dramatisch, im Gegenteil. Sondland hat nur bestätigt, was schon bekannt ist: Dass Trump – in seinem transaktionalen Führungsstil -, wenn er was gibt, auch was dafür haben will. Quid pro quo eben. Aber das haben drei Zeugen vor ihm auch schon gesagt. Sondland hat seine Erinnerungen dazu aufgefrischt und das bestätigt, zum zweiten Mal.
Aber was ich entscheidender finde ist, dass er Mike Pence, den Vizepräsidenten, mit hineinzieht. Nicht nur den Außenminister Mike Pompeo, sondern auch den Vizepräsidenten. Damit nötigt er die Senatoren – auf die Republikaner im Senat wird es letztlich ankommen, von denen müssten 20 die Seiten wechseln – bei Trump zu bleiben.
Wenn nämlich Pence auch involviert ist und er und Trump dann „rausgenommen“ würden, dann käme als lachende Dritte die Madam Speaker im Abgeordnetenhaus zum Zug. Und das ist Nancy Pelosi. Und das wollen die Republikaner auf keinen Fall. Also sie werden sich die Nase zuhalten und an der Seite Trumps stehen bleiben.
Trump ist ja nicht so beliebt, auch bei den Senatoren, den Republikanern. Und damit, das Pence jetzt mit hineingezogen wurde, kann sich Trump die Loyalität von allen sichern. Keiner kann jetzt aus seiner Misere Kapital schlagen. Das ist machiavellistisch. Da muss man schon eine Ecke weit dreckiger denken, so wie Trump es auch macht.
Tagesschau 24: Was müsste denn dann passieren damit die Stimmung auch in der Bevölkerung kippt, ähnlich wie bei der Watergate-Affäre?
Braml: Etwas, das wir nicht kennen können. So weit, wie wir die Lage überblicken können, hilft dieses Impeachment sogar Trump noch, wiedergewählt zu werden. Er belastet damit auch Joe Biden: Dessen Sohn hat 50.000 Dollar im Monat verdient, als sein Vater als Vizepräsident für die Ukraine verantwortlich war. Das hat auch ein Geschmäckle für die Wählerinnen und Wähler. Biden lässt nach in den Umfragen. Und er wäre der Einzige bislang, der Trump in den entscheidenden battleground states schlagen könnte. Das heißt: Damit wird Biden rausgenommen, und Trump hätte dann ein leichteres Spiel mit den liberalen Demokratinnen wie Elizabeth Warren. Und vielleicht hat er auch deswegen so oft von Impeachment, Impeachment und nochmal Impeachment gesprochen. Das könnte ein game changer für seine Wiederwahl sein.
Tagesschau 24: Nun hat der demokratische Senator Bernie Sanders Trump den korruptesten Präsidenten in der modernen Geschichte genannt. Ist das die richtige Strategie, um republikanische Wählerinnen und Wähler umzustimmen?
Braml: Ich glaube, Sanders hat schon einmal Trump zur Wahl verholfen, indem er Hillary Clinton genötigt hat, ihre freihändlerische, mittige Position aufzugeben und dann um 180 Grad zu drehen und ebenso protektionistisch zu sein wie er. Das heißt, die sogenannten Linken, Gewerkschaftsnahen, die Freihandelskritischen werden es den gemäßigteren Demokraten schwer machen. Auch der vergangene Präsident Obama hat schon gewarnt, die Demokraten nicht so weit nach links zu verrücken. Sie sollten vielleicht dann doch mit anderen Themen, mit anderen Bereichen punkten, mit Visionen. Aber da tun sich die Demokraten schwer, wie wir gestern wieder gehört haben.
Tagesschau 24: Dabei hatten die Demokraten lange gewartet eine Amtsenthebung anzustrengen. Nancy Pelosi hat jetzt aber gesagt, das sei der richtige Zeitpunkt. Kann sie sich verschätzt haben?
Braml: Das ist der richtige Zeitpunkt, weil ihr die liberalen Kontrahentinnen Druck gemacht haben. Die sitzen in sicheren Wahlkreisen, haben nichts zu befürchten, können da Druck machen. Andere, die in Staaten sitzen, wo auch viele Trump-Sympathisanten sind, wären da in die Bredouille gekommen. Pelosi weiß, dass dieses Impeachment-Verfahren Trump helfen könnte, hat gezögert, musste das aber aus inneren machttaktischen Gründen machen. Ich glaube, da ist nicht sehr viel mehr Strategie dahinter. Das könnte sehr nach hinten losgehen für die Demokraten.
Die Fragen stellte Julia-Niharika Sen.
Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.