Die wirtschaftliche Entwicklung in den USA wird durch innen- und außenpolitische Faktoren beeinträchtigt. Sie hängt am seidenen Faden der Geldpolitik der US-Notenbank. Als Reaktion auf die schwächere Industrieproduktion und Beschäftigung – und nicht zuletzt auch wegen der Geldlockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) – dürfte die US-Notenbank Fed deshalb im Dezember eine weitere Zinssenkung ankündigen, prognostiziert der USA-Experte Josef Braml für Die Bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis.
Die Konfrontation zwischen US-Präsident Donald Trump und der demokratischen Mehrheit des Repräsentantenhauses im Zuge des Impeachment-Verfahrens gefährdet die Zusammenarbeit in anderen innen- und außenpolitischen Fragen, vor allem bei der Gesetzgebung zum Wiederaufbau der US-Infrastruktur sowie der Ratifizierung des NAFTA-Nachfolge-Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada (USMCA). Diese Unternehmer-Prioritäten wären wichtig für Amerikas wirtschaftliches Wohlergehen, aber die Zustimmung zu diesen Maßnahmen im Kongress sind nun in Gefahr.
Anzeichen wirtschaftlicher Schwäche
Dies ist umso bedenklicher, als dass die US-Wirtschaft bereits Anzeichen von Schwäche zeigt. Angesichts der Bedeutung und Stärke des Verbrauchersektors ist die amerikanische Wirtschaft zwar absehbar noch weit von einer Rezession entfernt. Während sich die im Inland ausgerichteten, verbraucherorientierten Sektoren der US-Wirtschaft nach wie vor gut entwickeln, sind die internationalen und verarbeitenden Sektoren jedoch schon spürbar geschwächt.
Auch für das vierte Quartal sind schlechtere Zahlen in der Industrieproduktion und Beschäftigung zu erwarten, wie der wichtigste und verlässlichste Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität in den USA, namentlich der Einkaufsmanagerindex (PMI), auch bekannt als ISM Manufacturing Index, zeigt (siehe Grafik unten, alles über der 50er Marke bedeutet Expansion, während alles unter 50 eine Kontraktion signalisiert).

Erhöhter Druck auf US-Handelspartner
Diese Hiobsbotschaften werden Trump umso mehr dazu verleiten, kompromissloser gegen die Handelspartner der USA vorzugehen – zumal die jüngsten Wirtschaftsdaten Trumps aggressiven Ansatz zur Verbesserung der US-Handelsbilanz zu rechtfertigen scheinen: Die USA sind auf gutem Weg, ihr kleinstes Warenhandelsdefizit mit China seit 2012 zu verzeichnen. Das US-Warendefizit gegenüber China ist von Januar bis Juli 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent geschrumpft.
Dennoch führte dieser Abbau des Handelsdefizits mit China nicht zu einer Verringerung des gesamten Handels- und Zahlungsbilanzdefizits der USA. Chinesische Waren wurden nicht durch US-Waren ersetzt, wie die Trump-Administration beabsichtigte, sondern durch Importe aus anderen Ländern. Bis zum Jahresende 2019 dürften sich voraussichtlich die US-Defizite gegenüber Mexiko, Kanada, der EU und dem Rest der Welt noch vergrößern.
Höhere Zinsen mindern Kaufkraft
Dieses Ungleichgewicht wird sich nicht ändern, wenn US-Verbraucher, Unternehmen und Regierungen (auf allen Ebenen) keine größeren Einsparungen erzielen. Solange sie über ihre Verhältnisse leben, müssen sie sich auf internationale Handelspartner verlassen, damit diese ihre Handelserlöse in den „tiefen Märkten“ der Vereinigten Staaten „reinvestieren“.
Die US-Notenbank wird langfristig eine höhere Prämie, sprich höhere Zinsen, anbieten müssen, um weiterhin ausländisches Kapital anzuziehen; höhere Zinsen werden jedoch die Kaufkraft der überwiegend auf Pump konsumierenden US-Gesellschaft spürbar mindern.
Trumps Zölle auf chinesische Waren sowie höhere Energiepreise – aufgrund des Konflikts mit dem Iran – haben bereits das Vertrauen der US-Verbraucher geschmälert. Im August 2019 verzeichnete der University of Michigan Consumer Sentiment Index den größten monatlichen Rückgang seit Dezember 2012.
Weitere Zinssenkung der US-Notenbank zu erwarten
Da die sich andeutende Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen auch ein großes Risiko für Trumps mögliche Wiederwahl im November 2020 bedeutet, wird der Präsident die US-Notenbank umso mehr dazu anhalten, die Zinsen weiter zu senken.
Trumps Druck auf die Fed wird noch stärker werden, nachdem die EZB im September beschlossen hat, nicht nur die Zinsen zu senken, sondern auch durch „quantitative Lockerung“ (Ankauf von Anleihen) umso mehr Liquidität zu schaffen. Daher ist damit zu rechnen, dass die Fed im Dezember in ihrem Offenmarktausschuss (Federal Open Market Committee, FOMC) ebenso eine weitere Zinssenkung ankündigt.
Dies würde, wie vom Weißen Haus beabsichtigt, gegen eine Stärkung des US-Dollars wirken – Trump und seine Wirtschaftsberater machen das Handeln der EZB für den steigenden Dollar verantwortlich. Nach Trumps Meinung suchen die Europäer mit der Geldpolitik der EZB einen unfairen Handelsvorteil, indem sie ihre Währung verbilligen und damit den Dollar und US-Waren verteuern.
Fazit
Während niedrigere Zinssätze und billigere Kredite weiterhin Inlandskonsum und Wirtschaftstätigkeit ermöglichen würden, könnte die geopolitische Lage die Stimmung der US-Verbraucher dämpfen. Höhere Ölpreise, vor allem aufgrund des Konflikts mit dem Iran, und Zölle auf chinesische Importe bremsen bereits jetzt die Kaufkraft der US-Verbraucher. Diese Faktoren stellen ein erhebliches Risiko für eine Wirtschaft dar, die hauptsächlich vom Inlandsverbrauch lebt.
Ein Marktkommentar von Josef Braml, Leiter Amerika-Programm bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Blogs „Der USA-Experte“.