Trotz zweier Anklagen ist Donald Trump bei den Republikanern der aussichtsreichste Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur. Dennoch bewerben sich noch neun Männer und eine Frau. Über Trumps Mitstreiter und seine Aussichten, den Vorwahlkampf der US-Republikaner zu gewinnen, spricht der USA-Experte Josef Braml mit Niels Kruse vom Wochenmagazin Der Stern.
Herr Braml, aktuell bewerben sich zehn Männer und eine Frau um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Doch nur einer dreht an der Umfragenspitze einsam seine Runde: Donald Trump. Jetzt aber wurde er erneut angeklagt, kann ihm die Konkurrenz die Kandidatur doch noch entreißen?
Kaum. Trump hat innerhalb der Partei einen harten Anhängerkern von 30 bis 35 Prozent. Die unterstützen ihn, egal was passiert. Und wenn diejenigen, die ihn verhindern wollen, auch noch mehrere Kandidaten sind, dann wird er wie 2016 mit der relativen Mehrheit als Stärkster hervorgehen.
Die Anklage wegen der Staatsgeheimisse, die Trump mit auf sein Anwesen nach Mar-a-Lago genommen hat, wiegt schwer. Das wird nicht spurlos an ihm vorbeigehen.
Die erste Anklage im Fall Stormy Daniels wegen einer Schweigegeldzahlung hat ihm mehr geholfen als geschadet. Auch beim Fundraising, Trump hat innerhalb kurzer Zeit sehr viel Geld reingeholt. Das wird jetzt, wo das US-Justizministerium klagt, genauso sein. Es stellen sich ja selbst seine Rivalen hinter ihn, etwa Ron DeSantis, der Gouverneur Floridas. Wenn es den Staatsanwälten nun nicht gelingt, Trump dingfest zu machen, kann das erneut nach hinten losgehen.
Sie meinen, je mehr er angeklagt wird, desto mehr profitiert er davon?
Es hängt von den „richtigen“ Anklagen ab. Der Fall Stormy Daniels lag sechs Jahre herum, bis ein Bezirksstaatsanwalt kam, der sich einen Namen machen wollte und Trump indirekt damit geholfen hat. Auch der aktuelle Fall um die Geheimdokumente sieht für den Laien nach politisch motivierter Anklage aus – schließlich sind auch bei Joe Biden geheim eingestufte Unterlagen in der Garage neben seiner Corvette gefunden worden. Und dann kommt die Klage gegen Trump auch noch aus dem demokratisch geführten Justizministerium, also aus der aktuellen US-Regierung.
Das Justizministerium ist in den USA die höchste Anklagebehörde und die Funde bei Joe Biden sind nicht vergleichbar.
Richtig. Aber die Republikaner und die, die ihnen nahestehen, werden das als politisch motivierte Sache interpretieren. Das ist einmal mehr Wasser auf Trumps Mühlen und seiner Erzählung einer politisch motivierten „Hexenjagd“. Damit hat er schon einmal eine Wahl gewonnen, und die zweite nur ganz knapp verloren. Ich weiß nicht, ob das wirklich so gut ist, das noch ein drittes Mal ausprobieren zu wollen.
Möglicherweise folgen noch weitere Klagen: Wegen seiner Rolle beim Kongresssturm am 6. Januar 2021 und in Georgia wegen Wahlbeeinflussung. Könnte das die Wähler mehr beeindrucken?
Die Auseinandersetzung wegen des 6. Januar ist schon allein deswegen interessanter, weil es dabei auch um den Fortbestand der amerikanischen Demokratie geht. Mike Pence hat bereits angedeutet, dass er sich in diesem Fall nicht hinter Trump stellen würde. Der Vizepräsident musste am 6. Januar um sein Leben fürchten, weil Trump den Mob aufgewiegelt hat, auch gegen ihn. Ich glaube, wenn man da reingehen würde, könnte man damit die Republikaner spalten.
„Pence gilt als Verräter in den Augen der Trump-Unterstützer“
Im Fall der Geheimdokumente-Klage sahen sich viele innerparteiliche Konkurrenten beinahe gezwungen, sich hinter Donald Trump zustellen – eine echte Alternative zu ihm sieht anders aus, oder?
Es gibt sicher den einen oder die andere, die auf das Argument abstellen, dass Trump zu viel juristisches Gepäck hat. Ob der oder diejenige dann wirklich zum Zug kommt, ist eine andere Frage.
In den innerparteilichen Umfragen liegt Donald Trump bei mehr als 50 Prozent Zustimmung, sein nächster Verfolger Ron DeSantis kommt auf knapp 22 Prozent, dann lange nichts. Hinten stehen Namen wie Mike Pence, Chris Christie oder Nikki Haley – warum kandidieren sie, obwohl sie chancenlos sind?
Was einen Chris Christie umtreibt, weiß ich nicht, aber der hat wenig zu erwarten. Und Pence gilt als Verräter in den Augen der Trump-Unterstützer. Aber Nikky Haley, die ehemalige Gouverneurin South Carolinas, die unter Präsident Trump US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen war, gehört zu den wenigen, die es unbeschadet aus dem Trump-Umfeld herausgeschafft haben. Ihr Kalkül könnte sein, sich als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft in Stellung zu bringen. Im Wahlkampf kann Trump eine Frau aus einem wahlentscheidenden Swing-State an seiner Seite brauchen; sie ist darüber hinaus politisch sehr klug.
Es führt also kein Weg an Donald Trump vorbei?
Ron DeSantis ist vielleicht der einzige, der Trump gefährlich werden könnte, aber auch er wird in den Vorwahlen im Ex-Präsidenten seinen Meister finden. Ich habe DeSantis ein paar Mal beobachtet. Er ist sehr hölzern, wenig volksnah, wenig schlagfertig. Und wenn er versucht, ein bisschen lustig zu sein, wird es peinlich. Er ist zwar schlau, aber das zeigt er eben auch gerne den anderen. Das hat keiner gern.
Wurde in jüngerer Vergangenheit überhaupt einmal ein führender Kandidat noch eingeholt?
Woran ich mich erinnere, ist, dass Joe Biden bei der Vorwahl der Demokraten 2020 erst in South Carolina, dem vierten Vorentscheid, politisch wiederbelebt wurde. Auch dank der dortigen afroamerikanischen Wählerinnen und Wähler, weswegen er sich für Kamala Harris als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft entschieden hat. Bis zu dem Zeitpunkt war er eigentlich raus. Also: Vieles ist möglich.
Ist es nicht ein Risiko, dass die Republikaner mit Trump einen Kandidaten ins Rennen schicken, der vielleicht durch das Wahlleute-System gewinnen kann, aber in der gesamten US-Bevölkerung kaum mehrheitsfähig ist?
Trump ist nicht der erste Präsident, der 2016 dank der Wahlleutestimmen gewonnen hat. Zweimal konnte Bill Clinton, 1992 und 1996, sowie George W. Bush im Jahr 2000 mit weniger als der Hälfte der abgegebenen Stimmen, der sogenannten Popular Vote, gewinnen. Letztendlich kommt es auf ein Dutzend Swing-States an, die den Ausschlag geben. Und bei der letzten Wahl fehlten Trump nur 43.000 Stimmen in drei Bundesstaaten. Es wird nächstes Mal wieder eng werden, zumal auf der anderen Seite mit Joe Biden ein Kandidat antritt, der nicht unbedingt gut gealtert ist. Um zu gewinnen, hat Biden Trumps protektionistische Politik in Teilen einfach fortgeführt. Zum Beispiel den Wirtschaftskrieg gegen China. Das ist nicht mehr das selbstbewusste Amerika, das für seine offene Gesellschaft und für Freihandel stand. Auch ohne Trump, besteht der Trumpismus weiter.
Dr. Josef Braml ist European Direktor der Trilateralen Kommission und Autor des Buches „Die Transatlantische Illusion“.