In seiner geo-ökonomischen Vermischung von Handels- und Sicherheitspolitik nimmt US-Präsident Donald Trump Amerikas NATO-Partner weniger als Verbündete denn als Gefährder wahr, warnt der USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Dr. Josef Braml in einem Beitrag für das Magazin „BULLETIN Außen- und Sicherheitspolitik“.
Endgültig vorbei ist die gute alte Zeit des Kalten Krieges, als die USA ihre Interessen zugunsten ihrer Alliierten noch umfassender definierten. Sie gewährten ihren westlichen Verbündeten öffentliche Güter wie Sicherheit, Freihandel und eine stabile Leitwährung, damit diese keine Gegenmacht bildeten und den USA folgten. Knapp sieben Jahrzehnte diente diese Nachkriegsordnung der westlichen Allianz, allen voran seiner Führungsmacht. Spätestens in Barack Obamas Amtszeit wurde jedoch sichtbar, dass der nicht mehr so liberale Ordnungshüter USA größere, vor allem innere Probleme hatte, die Führungsleistungen zu erbringen.
Trumps „realistische“ Weltsicht
US-Präsident Donald Trump zerstört nun willentlich die liberale Restordnung. Denn Trump und seine Sicherheits- und Wirtschaftsberater meinen, dass diese ohnehin nur noch Amerikas „Feinden“, allen voran China und Europa, hilft. Sie wähnen sich in einer „realistischen“ Welt, in der Unternehmen gegen Unternehmen und Staaten gegen Staaten kämpfen. In dieser Sicht – die auch Russlands und Chinas Geostrategen nicht fremd ist – haben Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen. In diesem Nullsummendenken gibt es keine gemeinsamen Interessen: Trump denkt, er könne Amerikas Interessen nur auf Kosten aller anderen durchsetzen.
Das in der aktuellen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA nunmehr explizit als „realistisch“ bezeichnete Politikverständnis von US-Präsident Trump und seiner Sicherheits- und Wirtschaftsberater setzt auf Militärmacht und weniger auf Diplomatie. Die Vereinten Nationen, die Welthandelsorganisation (WTO), die NATO und all die anderen internationalen Strukturen, die die USA nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben, sind für die amtierende US-Regierung nicht mehr wichtig, ja sogar hinderlich. Wenn die regelbasierte Ordnung, die internationale „Rule of Law“, zerstört ist, dann gilt das Recht des Stärkeren, nämlich der nach wie vor größten Militärmacht USA.
Militärmacht als kompetitiver Wettbewerbsvorteil
In der sozialdarwinistisch anmutenden Weltsicht Trumps, in der maximale militärische Macht das Recht des Stärkeren und somit die Dominanz der USA begründet, sind multilaterale Organisationen ein Hindernis: Sie sind schließlich darauf ausgerichtet, internationalem Recht zur Stärke zu verhelfen, auszugleichen, den Stimmen auch der – nach Trumps Meinung – Schwächeren im Konzert der Nationen Geltung zu verschaffen.
US-Präsident Trump hat vor allem das multilaterale Welthandelssystem immer wieder als schlechten Deal für Amerika dargestellt. Indem er auch in diesem Politikfeld die militärische Trumpfkarte zieht und Strafzölle – zunächst auf Stahl und Aluminium – mit nationaler Sicherheit begründet, setzt Trump nicht nur seine handelspolitischen Ziele durch, sondern er untergräbt auch die Welthandelsorganisation (WTO).
In der NATO gleichen die Strafzölle sogar einem Erpressungsmanöver. In seiner Vermischung von Handels- und Sicherheitspolitik nimmt Trump Amerikas NATO-Partner weniger als Verbündete denn als Gefährder wahr: Er sieht ihre Exporte in die USA als nationale Bedrohung; eine Ausnahme von Strafzöllen können die europäischen Handelspartner demnach nur erbitten, indem sie nachweisen, dass sie ihre Import-/Export-Bilanz zugunsten der USA verändern.
Europäische Verbündete können wohl nur dann das Wohlwollen Trumps erwirken, wenn sie amerikanische Rüstungsgüter kaufen, damit technologisch abhängig bleiben und zudem das amerikanische Handelsdefizit verringern helfen. Wer weiterhin den Schutz der USA beanspruchen will, muss dafür künftig mehr zahlen – und diesen Tribut nicht nur durch seinen Beitrag zur Sicherheitspolitik, sondern auch in der Handelspolitik zollen.
Militärmacht bietet den „kompetitiven Wettbewerbsvorteil“ schlechthin: Sie dient dazu, um im härter werdenden internationalen Wettbewerb zu gewinnen – mit dem Recht des Stärkeren und zwangsläufig auf Kosten aller anderen Nationen.
Was tun?
Das heißt jedoch nicht, dass Europa die USA im Gegenzug auch als Rivalen ansehen und „Gegenmacht“ bilden muss. Das ist nicht zu empfehlen, allein schon, wenn man sich das militärische Machtgefälle ansieht.
Um Trumps Forderungen nach höheren Militärausgaben zu entkräften und für die eigene Sicherheit zu sorgen, sollten europäische Regierungen einen Verteidigungsfonds etablieren, um gemeinsame Rüstungsanstrengungen zu ermöglichen. Europa sollte die Drohung von US-Präsident Trump ernst nehmen, dass die USA ihren Schutzverpflichtungen gegenüber ihren europäischen Verbündeten nicht mehr nachkommen werden, wenn diese nicht bereit sind, selbst mehr Lasten zu schultern.
Gleichwohl könnten die Europäer auch in Sicherheitsfragen selbstbewusster auftreten, indem sie den Verantwortlichen in Washington erläutern, dass sich die USA seit Jahrzehnten nur deshalb ihre exorbitante Rüstung haben leisten können, weil ausländische Kreditgeber – lange Zeit China und Japan, und seit der Finanzkrise 2007/2008 vermehrt die Golf- und EU-Staaten – bereit gewesen sind, die zunehmende Verschuldung privater und Staats-Haushalte in den USA zu finanzieren.
Mit Blick auf diese umfassendere volkswirtschaftliche Betrachtung gleicht Trumps Kritik am Außenhandelsüberschuss Deutschlands und an seiner mangelnden Bereitschaft, mehr Geld (namentlich zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung) für (amerikanische) Rüstung auszugeben, einer Milchjungenrechnung.
Trump hat zwar Recht, wenn er sagt, dass Europa mehr in die USA exportiert als umgekehrt. Doch das amerikanische Außenhandelsdefizit entsteht nicht, weil Europa die USA übervorteilt, sondern weil die USA keine Sparquote haben. Solange Amerika nicht spart, sondern über seine Verhältnisse lebt, wird die Weltmacht ein Handelsdefizit haben. Wenn die USA weiterhin auf Pump leben, wirtschaften und rüsten wollen, dann brauchen sie jemanden, der das bezahlt. Das Geld, das exportstarke Länder wie Deutschland im Handel mit den USA verdienen, geben sie als Kredite dorthin zurück – diese Investitionen sollten auch bei einer umfassenderen, geo-ökonomischen Betrachtung von „Burden Sharing“ berücksichtigt werden.
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Dr. Josef Braml leitet das USA/Transatlantik-Programm bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und ist Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.