Donald Trump – Der Sieger des G20-Gipfels

Der USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Josef Braml erläutert in einem Beitrag für das politische Magazin Cicero, wie US-Präsident Trump mit seinen bilateralen Treffen den eigentlichen multilateralen Gipfel zur Nebensache degradierte.

Nicht erst seit Donald Trumps Präsidentschaft sollte klar geworden sein, dass Europäer und Amerikaner auf unterschiedlichen Planeten leben. Gerade, wenn es um existentielle Themen wie die Stabilisierung des weltweiten Wirtschafts- und Finanzsystems, Sicherheitsfragen oder Klimaschutz geht.

Nichts hat die Architektur des globalen Krisenmanagements so sehr erschüttert wie die von den USA verursachte Wirtschafts- und Finanzkrise von 2007/2008 – die bis heute nicht überwunden ist und deren Fernwirkungen die politischen Systeme insbesondere westlicher Staaten ins Wanken bringen. Um weiteren globalen Ungleichgewichten und Verwerfungen vorzubeugen, wurde die Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen (G20) zur Chefsache gemacht. Im November 2008, auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise, lud der damalige US-Präsident George W. Bush die Staats- und Regierungschefs nach Washington ein. Bereits auf dem dritten Gipfel in Pittsburgh im September 2009 wurde die G20 zum „wichtigsten Forum für internationale Wirtschaftskooperation“ erkoren. Doch deren hart erarbeiteten Abschlusskommuniqués, die eigentlich nur wohlfeile Willenserklärungen sind, werden seit ihrer Gründung regelmäßig vom eigentlichen Souverän, der Volksvertretung der Vereinigten Staaten ignoriert.

Auch in der Sicherheitspolitik gilt für die Weltmacht seit jeher: Multilateralismus wenn möglich, Unilateralismus wenn nötig. Wenn Gefahr in Verzug ist, handeln die USA im Alleingang und lassen sich nicht durch die Völkergemeinschaft und auch nicht von Alliierten davon abhalten. Es ist bezeichnend, dass nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Nato-Verbündeten darauf drängten, den Bündnisfall auszurufen, um ihre Solidarität zu bekunden. Wegen der unzureichenden militärischen Ausrüstung der Europäer konnten die USA mit wenigen Ausnahmen, etwa Großbritannien, im Globalen Krieg gegen den Terrorismus jedoch wenig mit ihren Verbündeten anfangen – nicht zuletzt auch, weil diese andere Vorstellungen internationalen Rechts hatten.

Koalitionen der Willigen statt Völkerrecht

Auch beim Klimaschutz haben bereits Trumps Vorgänger eine Strategie verfolgt, die nicht mit dem Vorgehen der Europäer konform geht. Während die Europäische Union danach trachtet, durch internationales Vertragsrecht (zuletzt das Kyoto-Protokoll und Pariser Abkommen) verbindliche Ziele festzulegen, wollen die USA seit jeher nur thematisch und nach Anzahl der Akteure begrenzte bi- und multilaterale Aktionsprogramme, Koalitionen der Willigen, ohne völkerrechtliche Verbindlichkeit. Die Anhänger der sogenannten Global Governance werden auch vom künftigen Verhalten der Weltmacht USA enttäuscht sein. Im US-Wahlkampf um die mögliche Nachfolge Trumps forderte etwa der demokratische Kandidat Joe Biden, den wirtschaftlichen und militärischen Rivalen China durch Strafzölle zu einem umweltverträglicheren Wirtschaften zu nötigen.

Damit greift Biden in den Köcher Donald Trumps, der ebenso die Wirtschaftsmacht der USA nutzt, um strategische Ziele durchzusetzen. Die Größe des US-Binnenmarktes kann der US-Präsident als Druckmittel einsetzen und damit drohen, die USA für Einfuhren weitgehend dicht zu machen, um ökonomisch wenig starke Länder ohne vergleichbaren Hebel gefügig zu machen. Und auch umgekehrt gilt: Die unsichtbare Hand des Marktes funktioniert besser mit der sichtbaren Faust in der Tasche. Die USA haben es seit jeher verstanden, ökonomische und militärische Macht zu bündeln, um strategische Interessen durchzusetzen. Sei es in der aktuellen Konfrontation mit dem Iran oder auch den Handelskriegen mit größeren Rivalen wie China und Europa – in jeder dieser Auseinandersetzungen spielen geo-ökonomische Interessen eine Rolle.

Trumps angeblicher Wahnsinn hat Methode

Um dieses dominante strategische Verhalten von US-Präsident Trump zu verstehen, muss man vom eigenen moralischen Ross herabsteigen und die Niederungen der Realpolitik genauer betrachten. Doch der Großteil deutscher Experten und Journalisten ist davon überzeugt, dass US-Präsident Trump unfähig sei, weil er ganz offensichtlich nicht die hehren Standards liberal-demokratischer Regierungsführung und regel-basierte Weltordnungsvorstellungen erfüllt. Doch Trumps angeblicher Wahnsinn hat Methode: Entgegen der von den meisten Europäern bevorzugten liberal-internationalistischen Weltsicht wollen US-Präsident Donald Trump und seine Sicherheits- und Wirtschaftsberater Amerikas Interessen auf Kosten aller anderen durchsetzen.

Trump ist fest entschlossen, die von den USA nach den beiden desaströsen Weltkriegen geschaffene liberale Weltordnung einzureißen, weil sie seiner Meinung nach nur Amerikas Rivalen wie China und Europa hilft. Wenn es keine „Rule of Law“ mehr gibt, keine Vereinten Nationen, keine Welthandelsorganisation, keine G8, keine G20, vielleicht auch keine Nato, dann gilt das Recht des militärisch Stärkeren, namentlich die transaktionale Führung der USA.

Dieses auf militärische Stärke fixierte realpolitische Denken ist auch chinesischen Geo-Strategen nicht fremd. Hinter Chinas „Win-Win“-Charme-Offensive könnte sich denn auch ein eigennütziges Kalkül verbergen: nämlich die Europäer im geo-ökonomischen Wettbewerb gleich zwei Mal zu übervorteilen.

Es geht um die Kontrolle von Strömen

Selbst für viele hartgesottene, im Kalten Krieg geschulte Experten ist es nicht einfach, den Überblick und die Orientierung zu behalten angesichts der vielen weltpolitischen Veränderungen. Im Gegensatz zur traditionellen, eher statischen, weil mehr auf Räume fixierten Geopolitik des Kalten Krieges geht es bei der heutigen, viel dynamischeren geo-ökonomischen Auseinandersetzung vielmehr um die Kontrolle von Strömen: insbesondere von Finanz-, Energie-, Rüstungs-, Industriegüter- und Datenströmen, nicht zuletzt auch von Humankapital und Ideen.

In diesem utilitaristischen Verständnis wird Wirtschaft, namentlich Handels-, Technologie- oder Finanzpolitik, als Mittel verstanden, um (geo-) strategische Ziele zu erreichen. Konkret geht es darum, politisch – das heißt regulatorisch oder mit (Sekundär-) Sanktionen – Energie-, Industrie-/Rüstungsgüter-, Daten- und Finanz-Ströme zu managen oder zu manipulieren und nicht das Spiel der Kräfte auf freien Märkten walten zu lassen. Damit wird die moderne, liberale Grundidee freier Marktwirtschaften, das Win-Win-Denken, preis gegeben zugunsten eines vor-industriellen, merkantilistischen Nullsummendenkens: Einer gewinnt, alle anderen verlieren. Donald Trump ließ mit seinem Speed-Dating, seinen bilateralen Gipfel-Treffen mit ausgewählten Staats- und Regierungschefs, bei seinen Anhängern zuhause keinen Zweifel daran aufkommen, wer der Sieger bei diesem G20-Neben-Gipfel in Osaka war.

Autoreninfo

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.