Ein guter Deal für die USA: „Europa ist vor Trump eingeknickt“

Unterwürfig findet USA-Experte Josef Braml, wie die Europäische Union in Washington auftritt. US-Präsident Trump sitze nur deshalb am längeren Hebel, weil Europa darauf verzichte, sein stärkstes Argument auszuspielen. Mit Josef Braml sprach Hubertus Volmer für n-tv.

n-tv.de: Trump hat es am Dienstag in einer Rede in Kansas so dargestellt, als habe die EU förmlich darum gebettelt, einen Termin bei ihm zu bekommen, um über den Handelsstreit zu sprechen. Ist die Einigung, die er und Kommissionspräsident Juncker jetzt ausgehandelt haben, besser für die USA oder besser für die EU?

Josef Braml: An Junckers Stelle würde ich diese Einigung nicht einrahmen und an die Wand hängen, ich würde sie nicht mal ausdrucken. Aus europäischer Sicht ist sie nicht das Papier wert, auf dem sie ja noch nicht mal geschrieben steht. Nur für das Versprechen, dass man über alles reden kann, zwei riesige Zugeständnisse zu machen? Das ist doch arg unterwürfig.

Welche Zugeständnisse sind das?

Wir kaufen den USA die Sojabohnen ab, die China nicht mehr haben will. Damit nehmen wir den Druck von den amerikanischen Farmern, den China aufgebaut hat und der auch im anstehenden Wahlkampf in den USA relevant geworden wäre. Wir leisten Trump also indirekt Wahlkampfhilfe für die Kongresswahlen im November. Und wir kaufen das teure Flüssiggas der USA und bewahren die amerikanischen Fracking-Firmen davor, in Konkurs zu gehen.

Warum macht Europa das?

Letztlich zollen wir den USA damit einen Tribut für unsere Sicherheit. Trump hat das in Brüssel ja sehr deutlich gemacht und damit Nato-Generalsekretär Stoltenberg das Frühstück verdorben. Wir müssen eben für unseren Schutz zahlen. Wahrscheinlich auch bei der Rüstung: Wenn Trump fordert, dass wir mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, dann meint er natürlich amerikanische Rüstungsgüter, die F35 von Lockheed Martin, nicht den Eurofighter. Auch das gehört zum Tribut.

Ist es für die EU nicht sinnvoll, Zugeständnisse zu machen, um einen Handelskrieg zu verhindern?

Die EU ist mit großem Selbstbewusstsein in diese Verhandlungen gegangen. „Wir verhandeln nicht mit der Pistole auf der Brust“, tönte es aus Brüssel. Jetzt wurde uns ein Maschinengewehr vorgehalten und wir sind eingeknickt. In diesem Stil wird die EU wohl auch weiterverhandeln – Trump war gut gelaunt, als er und Juncker über den Ausgang ihres Gesprächs informierten. Dazu hat er auch allen Grund. Solange sich die EU kein einsatzfähiges Militär leistet, bleibt sie erpressbar – nicht nur von dem Nachbarn im Osten, was heute keine so große Rolle mehr spielt, sondern auch von der ehemaligen Schutzmacht.

Warum sitzt Trump am längeren Hebel?

Weil die USA bei einem Handelskrieg weniger zu verlieren hätten, weil sie nicht so stark von Exporten abhängen, wie vor allem wir Deutschen das tun. Um unseren Hebel zu verbessern, müssten wir eine größere Rechnung aufmachen.

Wie sähe die aus?

Trump hat recht, wenn er sagt, dass Europa mehr in die USA exportiert als umgekehrt. Aber das amerikanische Außenhandelsdefizit entsteht ja nicht, weil Europa die USA übervorteilt, sondern weil die USA keine Sparquote haben. Solange Amerika nicht spart, sondern über seine Verhältnisse lebt, wird es ein Handelsdefizit haben. Das kapieren Trump und seine Merkantilisten nicht: Wenn die USA weiterhin über ihre Verhältnisse leben wollen, dann brauchen sie jemanden, der das bezahlt. Das Geld, das wir im Handel mit den USA verdienen, geben wir als Kredite dorthin zurück, damit die USA wieder Güter bei uns kaufen können. Wir müssten Trump sagen: Der Deal ist doch gar nicht so schlecht. Ihr bekommt Autos und andere schöne Waren, und wir bekommen dafür Schuldscheine, die etwas wert sein können oder auch nicht. Bei der letzten Korrektur in der Finanzkrise 2007/2008 haben auch deutsche Sparer und Anleger wieder sehr viel Geld verloren. Das war doch wohl kein schlechter Deal für die USA.

Womit könnte Europa konkret die USA unter Druck setzen?

Genau mit dieser Ansage: Wenn ihr weiter unser Geld wollt, dann haben wir Bedingungen. Die EU und die europäischen Regierungen könnten bei der europäischen Bevölkerung, den hiesigen Banken und den institutionellen Anlegern für Aufklärung sorgen, indem sie ihnen sagen: Natürlich könnt ihr weiter in die abgrundtiefen Märkte in den USA investieren. Aber sie sind jetzt schon 20 Billionen Dollar im Minus – und das ist nur die Bundesebene, da sind die Einzelstaaten noch gar nicht dabei, die auch Pleite gehen können. Trump treibt die Verschuldung mit seinen Voodoo-Economics immer weiter nach oben. Allein durch seine Steuerreform wird die Staatsverschuldung der USA um weitere sechs bis sieben Billionen Dollar steigen.

Wer soll das bezahlen? Die Chinesen machen das nicht mehr, die nehmen ihre Währungsreserven aus der Dollarfalle. Stattdessen investieren sie in alternative Strukturen, in das Projekt „One Belt, One Road“, die neue Seidenstraßeninitiative. Auch die EU müsste verstärkt auf Investitionen setzen. Wir müssen zusehen, dass wir hier endlich Infrastrukturmaßnahmen auf die Beine stellen, um die vielen arbeitslosen Jugendlichen in Europa in Lohn und Brot zu bringen.

Am Montag hatte Trump noch getwittert, Zölle seien „das Größte“, nach seinem Treffen mit Juncker feierte er das Verhandlungsergebnis als „großen Tag für freien und fairen Handel“. Was will Trump: Protektionismus oder Freihandel?

Ein guter Abwehrspieler schaut nicht auf den Körper des Gegners, sondern auf den Ball, sonst machen die Finten ihn schwindelig. Mit seinen Ablenkungen und Widersprüchen macht Trump alle wirr. Darauf sollte man nichts geben. Aber wir sollten uns darauf einstellen, dass er nicht im liberal-internationalistischen Gedankengebäude zuhause ist. Er denkt nicht in Win-Win-Kategorien und glaubt nicht daran, dass Freihandel für alle gut ist. In seiner Welt kann Amerika seine Interessen nur auf Kosten aller anderen durchsetzen. Wer das versteht, der versteht auch, warum Trump die Regeln einreißen will und warum er nicht nur China, sondern auch die EU als Gegner ansieht. Wenn es keine „rule of law“ mehr gibt, keine UN, keine WTO, vielleicht auch keine Nato, dann gilt das Recht des Stärkeren.

Mit Josef Braml sprach Hubertus Volmer.

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog usaexperte.com.