Die USA sind ein Partner, auf den man sich in Deutschland nicht blind verlassen sollte, sagt USA-Experte Dr. Josef Braml. Vor seiner Veranstaltung im Autorenforum der Pforzheimer Zeitung gibt der Autor des Buches „Die transatlantische Illusion“ einen Einblick in die komplizierten internationalen Verflechtungen. Über das transatlantische Bündnis, die wirtschaftliche Rolle Chinas und die Position Deutschlands, spricht der Politikwissenschaftler und USA-Experte Josef Braml mit Sven Bernhagen von der Pforzheimer Zeitung.
US-Präsident Donald Trump verhängte Strafzölle auf chinesische Produkte mit der Begründung, Peking bediene sich unfairer Handelsmethoden. Hatte er Recht?
Auch schon vor Donald Trumps Amtszeit kritisierten die USA, dass die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu schwach oder zu veraltet seien, um mit Chinas staatlich subventioniertem Handel, Staatsunternehmen, erzwungenem Technologietransfer oder dem Diebstahl geistigen Eigentums umzugehen. Anstatt die WTO und damit die regelbasierte Ordnung dafür zu nutzen, Chinas neo-merkantilistischer Wirtschaftspolitik Grenzen zu setzen, führt US-Präsident Joe Biden jedoch die von seinem Vorgänger forcierte unilaterale Wirtschaftspolitik mit dem Recht des wirtschaftlich und militärisch Stärkeren fort.
Joe Biden überlegt angesichts der hohen Inflation in den USA, die Strafzölle wieder abzuschaffen und den Handelskrieg mit China zu beenden. Ist das ein zukunftsträchtiger Weg?
Das wäre ökonomisch vernünftig, weil die USA mit ihrem Wirtschaftsnationalismus der Weltwirtschaft und auch sich selbst schaden. Aber aus innenpolitischen Gründen wird Biden an der „Amerika first“-Politik seines Vorgängers festhalten. Ohnehin hat Biden die Wahl nur deshalb gewonnen, weil er schon im Wahlkampf Trumps protektionistische Haltung übernommen und beim China-Bashing Trump sogar noch übertrumpft hatte.
Welche Auswirkungen hat das alles auf Deutschland und Europa?
Es ist zu befürchten, dass die USA ihren kompromisslosen Kurs gegen China weiterfahren werden, weil sie auch selber weniger zu verlieren haben als andere Länder. So ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA nur zu einem Viertel vom Handel mit anderen Ländern abhängig, während der globale Handel heute etwa 60 Prozent der weltweiten Wertschöpfung ausmacht. Allen voran ist Deutschland eine der international verflochtensten und somit am meisten verwundbaren Volkswirtschaften der Welt – und hat deshalb viel zu verlieren, wenn Washington weiterhin darauf drängt, westliche Volkswirtschaften von China zu entkoppeln.
Müssen wir angesichts von Russlands Angriff auf die Ukraine nicht froh sein, dass ein besonnener Biden die USA regiert und nicht mehr ein unberechenbarer Trump?
Präsident Trump hätte mit dem russischen Präsidenten Putin wohl einen Deal auf Kosten der Ukraine und Europas gemacht. Sein damaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hat uns ja verdeutlicht, dass im Falle einer zweiten Amtszeit Trumps die Nato nicht mehr viel wert wäre. US-Präsident Biden hingegen legt mehr Wert auf Alliierte. Aber auch unter seiner Führung haben westliche Staaten eine direkte Konfrontation mit Russland ausgeschlossen, um nicht eine nukleare Auseinandersetzung zu riskieren. Waffenlieferungen und vor allem Wirtschaftssanktionen erscheinen als das effektivste Mittel, um Putin in der Ukraine zu schwächen.
Bei Trump galt ganz klar „America first“ – die deutschen und europäischen Hoffnungen lagen auf Biden. Sind die USA jetzt tatsächlich wieder ein besserer Partner?
Seit Bidens Wahl und vor allem seit Putins Attacke auf die Ukraine gibt es wieder verstärkt Stimmen, die die transatlantische Partnerschaft stärken wollen. Wenn damit gemeint ist, intensive Beziehungen zu Washington zu pflegen und sich um einen verstärkten Austausch zu bemühen, so ist daran auch gar nichts falsch. Die USA waren und sind für Europa ein wichtiger Partner. Der Glaube allerdings, dass Washington in Zukunft in derselben Weise wie früher dessen Sicherheit garantieren und unsere Interessen mit vertreten wird, ist eine Illusion. Es ist die transatlantische Illusion.
Wie kann es Deutschland und Europa gelingen, zwischen den Großmächten USA, China und auch Russland nicht aufgerieben zu werden?
Die Welt steuert auf eine multipolare Ordnung zu, in der die USA ein wichtiger, aber nicht mehr der allein dominierende Pol sind. Während die USA insbesondere China eindämmen wollen, hat Europa weniger ein Problem mit dem chinesischen Aufstieg an sich, von dem es vor allem wirtschaftlich profitiert, sondern mehr mit Chinas fehlender Bereitschaft, sich an die Spielregeln der liberalen internationalen Ordnung zu halten. Um nicht zum Kollateralschaden des neuen weltumspannenden Konflikts zwischen China und den USA zu werden und sich in der neuen Weltordnung zu behaupten, muss Deutschland auf ein starkes und handlungsfähiges Europa setzen.
Dr. Josef Braml ist USA-Experte und Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Denkfabrik Trilaterale Kommission. Sein neues Buch „Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können“, erschien soeben beim Verlag C.H.Beck.