Krise der Weltmacht USA – „Schlechte Nachrichten für Trump“

Die USA und Präsident Trump sind wegen Corona, Rassismus und Schulden in einer ernsthaften Krise – mit außenpolitischen Folgen. USA-Experte Josef Braml erklärt im Interview mit ZDFheute, was das konkret bedeutet.

ZDFheute: Hat Donald Trump im Umgang mit der Pandemie eine Chance für seine Wiederwahl verspielt?

Braml: In Krisen-Zeiten gewinnt die Exekutive an Zuspruch. Wir sahen bereits erste Anzeichen eines „rally around the flag“-Effekts, im Zuge dessen sich die Amerikaner um ihren Präsidenten scharen, weil sie ihm zutrauen, sie zu schützen. Wegen seines mangelhaften Krisenmanagements hat Trump jedoch diese Chance verspielt.

ZDFheute: Braucht Trump jetzt einen anderen Schuldigen?

Braml: US-Präsident Trump hat die Konfrontation mit China verschärft, auch um einen Sündenbock für sein eigenes Versagen in Stellung zu bringen. Als idealistischer Mensch hätte man denken können, dass angesichts einer lebensbedrohlichen Pandemie die wichtigsten Länder gemeinsam dagegen vorgehen. Ebenso wäre internationale Kooperation angesagt, um der drohenden Weltwirtschaftskrise zu begegnen.

ZDFheute: Die Wirtschaft der USA leidet bereits unter hoher Arbeitslosigkeit.

Braml: Das sind weitere schlechte Nachrichten für Trump, der ja bislang mit guten wirtschaftlichen Zahlen auf Stimmenfang gehen konnte. Die US-Wirtschaft sieht momentan nicht gut aus, aber es könnte sein, dass sie sich nach dem herben Einbruch im zweiten Quartal dann im Herbst vor der Wahl doch wieder ein bisschen erholt und Trump diesen Effekt für sich beansprucht.

ZDFheute: Und wenn nicht?

Braml: Für diesen Fall baut er vor. Da ist zunächst der innere Kulturkrieg. Trump instrumentalisiert die Rassenunruhen nach der brutalen Tötung George Floyds durch weiße Polizisten. Das war aber nur der berühmte Funke, der das Ganze zum Explodieren brachte. Die Lage war schon vorher angespannt, weil überproportional viele Afroamerikaner an Corona gestorben sind. Trump bezichtigt nun diejenigen, die gegen diese Ungerechtigkeit und für Gleichbehandlung auf die Straßen gehen, als linke Extremisten und flirtet gleichzeitig mit Rassisten, die ihm zur Wiederwahl verhelfen könnten. Um von inneren Problemen abzulenken, könnte Trump auch weitere außenpolitische Scharmützel suchen. China ist bereits im Fadenkreuz – der Kritiker beider Parteien in den USA. Auch die Deutschen und Europäer müssen aufpassen, um nicht noch mehr den Zorn des US-Präsidenten zu erregen. Trump hat bereits europäische Aluminium- und Stahlexporte in die USA als nationale Sicherheitsbedrohung erklärt; Automobile könnten folgen.

ZDFheute: Die USA sind doch auf Im- und Export angewiesen?

Braml: Trump hat eine Milchjungen-Rechnung aufgemacht. Er kritisiert einseitig Länder, die im Handel mit den USA Überschüsse erwirtschaften. Er ignoriert die grundlegende Logik der Außenwirtschaftsbeziehungen.

ZDFheute: Die da wäre?

Braml: Solange Amerika über seine Verhältnisse lebt, wird es Außenhandelsdefizite benötigen. Außenhandelsdefizite und Haushaltsdefizite oder die Verschuldung der Amerikaner sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Mit seinem kurzsichtigen Vorgehen gefährdet Trump jedoch Amerikas kreditfinanzierten American Way of Life. Denn die USA haben in den vergangenen drei Jahrzehnten gut davon gelebt, dass vor allem Exportländer wie Deutschland in großem Umfang Güter nach Amerika exportiert und dafür Papier erhalten haben – Forderungen, die bald nicht mehr so viel Wert sein werden.

ZDFheute: Ist die Verschuldung der USA ein größeres Problem?

Braml: Ja, allein die Staatsschulden der USA sind atemberaubend. Das Defizit wird sogar noch größer, weil Trump weitere Steuersenkungen durchgedrückt hat und noch mehr für das Militär ausgeben will, um gegen China zu rüsten. Die USA werden auf absehbare Zeit ihre massive Verschuldung nicht in den Griff kriegen. Amerikas Staat droht handlungsunfähig zu werden.

Das Interview führte Florence-Anne Kälble.

Josef Braml, Jahrgang 1968, ist promovierter Politikwissenschaftler und Leiter des Amerika-Programms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Aktuelle Beiträge veröffentlicht er auch über seinen Blog.

Weitere Informationen:

Corona-Pandemie in den USA

Die Corona-Pandemie fordert zahlreiche Menschenleben; mittlerweile sind über 140.000 Menschen, vor allem viele Afroamerikaner, an der Pandemie gestorben. Afroamerikaner machen 12 Prozent der Bevölkerung in den USA aus, aber sie haben bislang 24 Prozent der bekannten Corona-Todesfälle erlitten – das heißt, ihre durch Corona bedingte Sterberate ist doppelt so hoch wie ihr Bevölkerungsanteil. Wären Afroamerikaner nicht überproportional, sondern im selben Maße wie weiße Amerikaner an Corona gestorben, wären noch mindestens 15.000 von ihnen am Leben.

Trumps Kulturkrieg

Präsident Trumps Denunziation der Rassengerechtigkeitsbewegung geht einher mit seinem unnachgiebigen Festhalten an den Konföderierten-Denkmälern und -Symbolen, die in den Augen der Betroffenen bis heute für die Rassenungleichheit in Amerika stehen. Als Hüter des Erbes der weißen Unrechtsherrschaft versucht Trump den harten Kern seiner weißen Wähler zu mobilisieren – und könnte damit einmal mehr Erfolg haben.

Äußerer Feind als Sündenbock

Corona hat die bestehenden geo-ökonomischen Rivalitäten, vor allem zwischen den USA und China, noch verstärkt. Mit scharfer Rhetorik macht die Trump-Regierung China für die Pandemie in den USA verantwortlich. Der „China-Virus“, dessen Ursprung das Weiße Haus medienwirksam in chinesischen Labors vermutet, ist laut US-Präsident Trump ein „Angriff“, der schlimmer als Japans Überfall auf Pearl Harbor im Zweiten Weltkrieg oder die Terrorattacken vom 11. September 2001 sei. Fest zum Gegenangriff entschlossen, hat Oberbefehlshaber Trump bereits seine Administration angewiesen, geo-ökonomische Strafmaßnahmen gegen China vorzubereiten.