Der Iran und Amerika bleiben auf gefährlichem Konfrontationskurs, warnt der USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Josef Braml in einem Gastbeitrag im Handelsblatt.
Zwar scheint die Lage in Nahost wieder etwas entspannter zu sein – nach Irans vergleichsweise harmloser Vergeltungsattacke nach dem tödlichen US-Luftangriff auf den iranischen General Ghassem Soleimani. Doch der Iran und die USA steuern weiterhin auf Konfrontationskurs.
Die Konfliktlage ist nicht etwa zufälligen Ereignissen oder erratischen Entscheidungen geschuldet. Dieser sich verschärfende Krieg ist die Konsequenz strategischer Handlungen: einerseits Trumps einseitiger Aufkündigung des Nukleardeals und Amerikas Strategie des „maximalen Drucks“ auf das Regime in Teheran. Die fatale Entwicklung ist aber andererseits auch der Fehlkalkulation iranischer Führer geschuldet.
In seiner Fehlwahrnehmung US-amerikanischer Schwäche leitete das Regime in Teheran einen tief greifenden Wandel in seiner Regionalstrategie ein. Indem es umfassende militärische Fähigkeiten in der Region, allen voran im Irak, in Syrien und im Libanon, aufbaute, bereitete es sich für einen möglichen größeren Konflikt mit Israel vor, warnte bereits im Oktober 2019 der Sicherheitsexperte Yossef Bodansky.
Strategisch verantwortlich für die enge Zusammenarbeit mit den iranischen Stellvertretern und Milizen in der Region war Generalleutnant Ghassem Soleimani, der Kommandeur der Quds Force, einer Unterabteilung der iranischen Revolutionsgarde. Soleimani wurde also nicht zufällig durch einen US-Drohnenangriff getötet.
Die USA und Israel spielten auch schon länger öffentlichkeitswirksam mit dem Gedanken, durch Präventivschläge die Gefährdung durch den Iran auszuschalten. Diese Option besteht jedoch nur solange, bis sich der Iran noch nicht durch Atomwaffen unangreifbar gemacht hat.
Aus Sicht Israels – und der aktuellen US-Regierung unter Trump – spielt die Zeit für den Iran. Der von den Europäern, China und Russland mitverhandelte Nukleardeal zwischen Trumps Vorgänger Obama und dem Iran ist aus ihrer Sicht nicht geeignet, der Nuklearbewaffnung des Iran wirksam Einhalt zu gebieten. Es war denn auch keine große Überraschung, dass US-Präsident Trump im Mai 2018 das Abkommen einseitig aufkündigte.
Gleichwohl hielt der Iran am Atomabkommen fest, in der Hoffnung, dass die Europäer wirtschaftlich weiter auf Kooperation mit dem Land setzen würden. Seitdem auch europäische Firmen auf Druck der USA ihre Geschäfte mit dem Iran preisgegeben haben, hat Iran keine wirtschaftlichen Anreize mehr, um sich an die Vereinbarungen zu halten.
Mit ihrer geoökonomischen Strategie des „maximalen Drucks“ durch (Sekundär-)Sanktionen haben die USA seitdem versucht, das iranische Regime an den Verhandlungstisch zu nötigen, damit Teheran nicht nur seine Nuklearpläne aufgibt, sondern auch seine regionalen Aktivitäten einschränkt – Letzteres wurde seinerzeit vom Nuklearabkommen ausgeklammert.
Die Gewaltspirale wird sich voraussichtlich weiterdrehen, weil Irans Führung, wohl auch aus innenpolitischen Gründen, am Atomprogramm und an ihrer Regionalstrategie festhalten wird, um die ohnehin prekäre Unterstützung ihres Regimes aufrechtzuerhalten.
Die iranische Führung sollte jedoch nicht die Entschlossenheit der USA unterschätzen, militärisch einzugreifen, falls der Iran nicht seine Bemühungen einstellt, sich konventionell und nuklear zu bewaffnen und die regionale Dominanz zu etablieren.
Anders als viele Beobachter auch hierzulande annehmen, würde eine militärische Konfrontation mit dem Iran dem amerikanischen Präsidenten innenpolitisch nicht schaden – im Gegenteil: Ein „rally around the flag“-Effekt, eine patriotische Sammelbewegung um den Präsidenten und Oberbefehlshaber angesichts einer nationalen Sicherheitsbedrohung, könnte Trump im Wahljahr sogar nützlich sein.
Um einer externen Bedrohung zu begegnen, ist der Präsident auf inneren Zusammenhalt, also auch auf ein „unified government“ angewiesen. Kritik und Kontrolle der Legislative wären angesichts einer nationalen Bedrohung in einer patriotisch aufgeladenen Stimmung nicht zu erwarten.
Die dominante Rolle des Oberbefehlshabers der Streitkräfte in einer nationalen Krise könnte Trump auch vor seinem persönlichen Ohnmachtsszenario schützen: nämlich seiner Abwahl oder dem Verlust der Mehrheiten in beiden Kammern der Legislative bei den anstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen am 3. November 2020.
Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.