Bidens Wirtschaftspolitik lässt seine Beliebtheit in den Keller sinken. Nur noch vier von zehn wahlberechtigten US-Bürgern sind mit der Amtsführung ihres Präsidenten zufrieden. Die Quittung dürfte im November folgen. In Washington werden die Republikaner derweil auf Trump-Linie gebracht – die Inflation spielt ihnen zusätzlich in die Hände. Ein Gastbeitrag des USA-Experten Josef Braml in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).
Mittlerweile kritisieren eine Reihe von amerikanischen Ökonomen, dass die von US-Präsident Biden initiierten milliardenschweren Konjunkturprogramme die Inflation begünstigt hätten. Weiterhin ausgeblendet wird indes, dass die staatlichen Hilfsprogramme zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie das von der US-Notenbank zuvor schon bis zum Rand mit sogenannter Liquidität gefüllte Fass nur zum Überlaufen gebracht haben.
Ausschlaggebend für die Inflation waren neben der Geldflutung jedoch auch Protektionismus und eine Güterverknappung in der Pandemie. Erst als die Gütermengen durch die Covid-19-Pandemie und Washingtons protektionistische Wirtschaftspolitik verknappt und damit verteuert wurden, entstand eine nachhaltige Inflation. Diese kann von den Ökonomen der Zentralbanken nun nicht mehr ignoriert und als „temporär“ abgetan werden.
Ein Spiel mit dem Feuer
Die westlichen Staaten haben ihre Geldmenge in den letzten Jahren drastisch ausgedehnt. Das lief ohne hohe Inflationsraten ab, weil es eine große Warenelastizität gab. Die amerikanische Notenbank und die Europäische Zentralbank konnten gar nicht so viel Geld drucken, dass dem durch Produktionssteigerungen nicht ein entsprechendes Warenangebot hätte gegenübergestellt werden können. Wo das nicht ging, etwa bei Immobilien, schossen die Preise in die Höhe.
Wenn man jetzt im Sinne Washingtons – im Gefolge des sogenannten Entkoppelns oder Friend-Shoring – eine weitere Entflechtung der westlichen Volkswirtschaften und Chinas anstrebt, würde diese Elastizität erheblich verringert. Die Folge wären dauerhaft hohe Inflationsraten, also ein Spiel mit dem Feuer. Im Interesse Europas liegt das nicht.
Weit stärker sind aber Entwicklungsländer betroffen: Im Zuge der restriktiveren Geldpolitiken westlicher Notenbanken müssen sie mit dem Abfluss internationaler Investitionen rechnen. Insbesondere jene Länder, die sich in der amerikanischen Währung verschuldet haben, werden wegen des steigenden Dollar-Kurses in größere Zahlungsschwierigkeiten kommen. Ohnehin ist die Gefahr gleichzeitiger Wachstums-, Energie-, Nahrungsmittel- und Schuldenkrisen bereits für viele Entwicklungsländer besorgniserregend. Es ist deshalb verständlich, dass die Länder des „globalen Südens“ sich nicht den Russland-Sanktionen der G-7-Staaten angeschlossen haben.
Die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen rät vor allem auch aus Eigeninteresse den Europäern mittlerweile davon ab, russische Öllieferungen vollständig zu boykottieren. Denn die damit verursachten höheren Ölpreise befeuern die Inflation, die die US-Notenbank zu einer umso restriktiveren Geldpolitik nötigt, die in Amerika wiederum zu weiteren Einbrüchen an den Aktienmärkten und in der Wirtschaft führen dürfte.
Bereits jetzt ist die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner davon überzeugt, dass Bidens Politik die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechtert habe. Nur noch vier von zehn erwachsenen und damit wahlberechtigten US-Bürgern sind zufrieden mit seiner Amtsführung – die niedrigste Zustimmungsrate, die ein Nachkriegspräsident zu diesem Zeitpunkt seiner Präsidentschaft je hatte.
Drohende Wahlverluste der Demokraten
Bis auf wenige Ausnahmen verlor jeder Amtsinhaber im Weißen Haus bei den (im November anstehenden) Zwischenwahlen Sitze im Kongress, zumal wenn er wie Biden nur schwache Zustimmungswerte für seine Amtsführung hatte. Zudem könnte sich die ausgebliebene Wahlrechtsreform schon in zwei Jahren bei den nächsten Präsidentschaftswahlen als problematisch für die amerikanische Demokratie erweisen und seinem allfälligen Herausforderer Donald Trump Chancen auf eine zweite Amtszeit geben.
Solange die Bundesregierung keine entsprechende Wahlrechtsreform verabschiedet, haben die Einzelstaaten freie Hand, wenn sie den Demokraten nahestehende Minderheiten bei Wahlen wieder benachteiligen wollen. Im vergangenen Jahr haben republikanische Gesetzgeber in 41 Bundesstaaten bereits Hunderte von Gesetzesvorlagen vorgeschlagen und fast drei Dutzend Gesetze verabschiedet, die die einzelstaatlichen Gesetzgeber ermächtigen, Wahlen zu ihren Gunsten zu manipulieren.
Auch in Washington werden die Republikaner auf Trump-Linie gebracht: Nach den Zwischenwahlen im November 2022 werden nur wenige Republikaner im Amt bleiben, die für Trumps Amtsenthebung wegen seiner Handlungen nach seiner Wahlniederlage gestimmt haben. Nach Säuberungen in den Parteivorwahlen wird der interne Widerstand gegen Trump noch schwächer sein.
Selbst wenn er – wegen möglicher strafrechtlicher Verurteilungen – bei den Präsidentschaftswahlen 2024 nicht selbst kandidieren sollte, stünden Populisten nach Trumps Ebenbild wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis in den Startlöchern. Andere republikanische Kandidaten könnten noch herausfordernder für Deutschland und Europa sein. Das sind keine guten Nachrichten für den alten Kontinent, der seine Sicherheit in die Hände Washingtons gelegt hat.

Der USA-Experte Dr. Josef Braml ist Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission und Autor des Buches „Die transatlantische Illusion“ (C.H. Beck).