Abkoppelung von russischer Energie – ein zweischneidiges Schwert

In einem Interview-Gespräch mit Hans Monath vom Tagesspiegel erläutert der USA-Experte Josef Braml, warum die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen die Europäer mittlerweile vor einem vollständigen Boykott russischer Öllieferungen warnt. Der Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Denkfabrik „Trilaterale Kommission“ sieht ebenso Kollateralschäden für arme Länder.

US-Finanzministerin Janet Yellen rate „vor allem auch aus Eigeninteresse“ den Europäern mittlerweile davon ab, russische Öllieferungen vollständig zu boykottieren. „Denn die damit verursachten höheren Ölpreise befeuern die Inflation, die die US-Notenbank zu einer restriktiveren Geldpolitik nötigt, die wiederum zu weiteren Einbrüchen an den US-Aktienmärkten und der US-Wirtschaft führen dürfte“, sagt Braml. 

Weit stärker als westliche Volkswirtschaften seien aber Entwicklungsländer betroffen: „Im Zuge der restriktiveren Geldpolitiken westlicher Notenbanken müssen sie mit dem Abfluss internationaler Investitionen rechnen.“

Insbesondere jene Länder, die sich in der amerikanischen Währung verschuldet haben, würden wegen des steigenden Dollar-Kurses in größere Zahlungsschwierigkeiten kommen. „Ohnehin ist die Gefahr gleichzeitiger Wachstums-, Energie-, Nahrungsmittel- und Schuldenkrisen bereits für viele Entwicklungsländer besorgniserregend“, warnt Braml.

Dr. Josef Braml ist USA-Experte und Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Denkfabrik Trilaterale Kommission. Sein neues Buch „Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können“, ist soeben beim Verlag C.H.Beck erschienen.