Das Verhältnis zwischen den USA und Europa ist nach vier Jahren Donald Trump im Eiskeller. Wie geht es weiter in den transatlantischen Beziehungen? Dr. André Uzulis, Chefredakteur Loyal – Das Magazin für Sicherheitspolitik, im Gespräch mit dem USA-Experten Dr. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Herr Braml, Sie verfolgen die Beziehungen zwischen Europa und den USA seit vielen Jahren. Wie desaströs ist aus Ihrer Sicht die Präsidentschaft Trump für das transatlantische Verhältnis bislang gewesen?
Die transatlantischen Beziehungen sind an einem historischen Tiefpunkt. In aktuellen Gallup-Umfragen lehnen mittlerweile über 60 Prozent der Bevölkerungen von Amerikas ehedem wichtigsten Verbündeten in Asien und Europa die US-Führung ab.
Was waren die gravierendsten sicherheitspolitischen Veränderungen der vergangenen vier Jahre im Vergleich zur bisherigen Politik der USA?
Am gravierendsten ist das handlungsleitende Weltbild, ja Feindbild von US-Präsident Trump und seiner Sicherheits- und Wirtschaftsberater: Das auch in der aktuellen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA als „realistisch“ bezeichnete Politikverständnis von US-Präsident Trump widerspricht der in Deutschland bevorzugten liberal-internationalistischen Vorstellung einer regelbasierten Weltordnung. In der spielen internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die Welthandelsorganisation eine zentrale Rolle. In der Weltsicht von US-Präsident Trump, in der maximale militärische Macht das Recht des Stärkeren begründet, sind multilaterale Organisationen ein Hindernis: Sie sind schließlich darauf ausgerichtet, internationalem Recht zur Stärke zu helfen, auszugleichen, den Stimmen auch der – nach Trumps Meinung – „Schwächeren“ im Konzert der Nationen zur Geltung zu verhelfen. Indem er die bereits angeschlagene liberale Weltordnung zerstört, will Trump Wettbewerbern ihre Erfolgsgrundlagen nehmen. Denn in Trumps merkantilistischem Denken hilft die von Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene regelbasierte Weltwirtschaftsordnung mittlerweile nur noch seinen „Feinden“: China und Europa.
Ausgehend von dem, was wir mit diesem US-Präsidenten erlebt haben: was ist von Trump militärisch zu erwarten, würde er im November wiedergewählt werden? Wagen Sie eine Art Hochrechnung?
Militärmacht zielt für den Geschäftsmann Trump nicht nur auf Sicherheit: Sie bietet den „kompetitiven Wettbewerbsvorteil“ schlechthin: Das ist ultimativ darwinistisches Verständnis internationaler Handels- und Sicherheitspolitik. Nach Trump haben Staaten keine Freunde, sondern nur nationale Interessen, und sie trachten danach, diese rücksichtslos durchzusetzen. Verfolgt man dieses Nullsummendenken konsequent weiter, ist militärische Macht kein Mittel für internationale Stabilität, geschweige denn Frieden. Sie dient vielmehr dazu, um im härter werdenden internationalen Wettbewerb zu gewinnen – mit dem Recht des Stärkeren und zwangsläufig auf Kosten aller anderen Nationen.
Beim Thema Truppenabzug aus Deutschland hielt sich die Begeisterung in Trumps eigener Regierung – insbesondere im Pentagon – bei Militärs und Sicherheitspolitikern in Grenzen. Wie stark schätzen Sie die Gegner Trumps innerhalb seiner eigenen Administration und innerhalb der republikanischen Partei ein? Welchen Einfluss haben die Gegner auf den Präsidenten?
Sicherheitspolitische Beobachter könnten ähnlich enttäuscht werden wie schon zuvor ihre handelspolitisch orientierten Kollegen. Diese hatten ja auch lange gehofft, dass Trump als Präsident schon noch präsidentieller werde, die eigene Partei ihn zur Raison mahne oder die sogenannten Erwachsenen im Weißen Haus und in der Administration dafür sorgen würden, dass alles beim alten bleibt. Als Trump jedoch seine Strafzölle gegen US-Alliierte mit nationaler Sicherheit begründete und mit Gary Cohn, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates, der letzte Erwachsene im Handelsbereich die Trump-Regierung aus Protest verließ, wurde dieses Wunschdenken desillusioniert; deutsche Unternehmer und Regierungsverantwortliche wurden zum Umdenken gezwungen.
Deutsche Sicherheitspolitiker und die Verantwortlichen in der NATO sollten sich ebenso ernsthafte Gedanken über Trumps Motive machen. In der NATO gleichen die Strafzölle sogar einem Erpressungsmanöver. In seiner Vermischung von Handels- und Sicherheitspolitik nimmt Trump Amerikas NATO-Partner weniger als Verbündete denn als Gefährder wahr: Er sieht ihre Exporte in die USA als nationale Bedrohung. Eine Ausnahme von Strafzöllen können die europäischen Handelspartner demnach nur erbitten, indem sie nachweisen, dass sie ihre Import-/Export-Bilanz zugunsten der USA verändern. Europäische Verbündete können wohl nur dann das Wohlwollen Trumps erwirken, wenn sie amerikanische Rüstungsgüter kaufen, damit technologisch abhängig bleiben und zudem das amerikanische Handelsdefizit verringern helfen.
„Bislang hat der Kongress bei der Gewaltenkontrolle versagt.“
Wie haben sich die oppositionellen Demokraten in den USA in den vergangenen vier Jahren zur Sicherheitspolitik des Präsidenten gestellt? Haben sie alles abgelehnt, was Trump getan hat oder gab es auch Unterstützung von Seiten der Opposition?
Anders als im deutschen parlamentarischen Regierungssystem, in dem die nicht an der Regierung beteiligten Parteien die Oppositionsfunktionen wahrnehmen, bildet im amerikanischen System der checks and balances, in der es keine Partei- oder Fraktionsdisziplin gibt, die gesamte Legislative die Opposition zur Regierung. Bislang hat der Kongress bei der Gewaltenkontrolle versagt – und nur mit einer Ausnahme dem Präsidenten in die Hand gegriffen: als Demokraten und Republikaner den Präsidenten gemeinsam an die Kandare nahmen und Trump zu einem härteren Vorgehen gegen Russland nötigten – von dem übrigens auch die deutsche Wirtschaft und Politik betroffen ist, etwa bei Sanktionen gegen deutsche Firmen, die an der Nord-Stream-2-Gaspipeline beteiligt sind.
Der Präsidentschaftskandidat Joe Biden hält sich mit außen- und sicherheitspolitischen Aussagen zurück. Er ist daher schwer einzuschätzen. Was hätten wir aus Ihrer Einschätzung heraus von einem US-Präsidenten Biden zu erwarten?
Noch knapper werdende Ressourcen werden den Verteilungskampf und die politische Radikalisierung in den USA weiter befeuern und umso heftigere Auswirkungen auf die US-Außenpolitik haben. Bereits heute zeigt sich – auf beiden Seiten des politischen Spektrums, vor allem unter der demokratischen Wählerschaft Bidens, um die auch Trump buhlt – Widerstand gegen den seit dem Zweiten Weltkrieg geltenden international engagierten außenpolitischen Kurs der USA. Die traditionellen, den Gewerkschaften nahen Demokraten befürchten insbesondere, dass Mittel für internationale beziehungsweise militärische Zwecke verbraucht werden und somit für innere soziale Belange fehlen. Transatlantische Lastenteilung und Protektionismus in der Handelspolitik werden insbesondere von demokratischer Seite gefordert – nicht zuletzt auch in der amerikanischen Legislative.
Dr. Josef Braml leitet das Amerika-Programm bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und ist Autor des soeben neu aufgelegten Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.