Trumps Apartheidsregime

Was, wenn Donald Trump verliert? Selten waren US-Wahlen mit so vielen Ängsten verbunden wie diesmal, manche warnen gar vor einem Bürgerkrieg. Wir haben Josef Braml, Leiter des Amerika-Programms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, dazu befragt.

Herr Braml, wie vergiftet ist die Stimmung wenige Wochen vor der US-Wahl?

Ich mache mir schon seit Längerem Sorgen um die demokratische Kultur in Amerika. Beide Seiten äußern, dass es bei einer Niederlage für den jeweiligen Kandidaten nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Das ist sehr besorgniserregend.

Beide Seiten?

Natürlich sind Trumps Anhänger besonders laut. Aber fragen Sie mal einen Demokraten, ob er es für möglich hält, dass Joe Biden nicht gewinnt. Eine Niederlage denken die gar nicht mehr mit. Wobei der Unterschied natürlich ist, dass Trump seine Leute schon jetzt mobilisiert und offen androht, dass sie auf die Barrikaden gehen.

Glauben Sie, er würde einen Konflikt im Inneren riskieren, um bei einer Niederlage im Weißen Haus bleiben zu können?

Er riskiert jetzt schon fast einen Bürgerkrieg, indem er das Militär in ruhige Demonstrationen schickt. Trump heizt die Stimmung bewusst an, um dann als der dastehen zu können, der für Recht und Ordnung sorgt. Damit mobilisiert er seine vorwiegend weiße Wählerschaft und macht es Biden schwer.

Inwiefern?

Wenn auf der anderen Seite vor allem Afroamerikaner zu Gewalt greifen, dann muss Biden sich distanzieren. Die Afroamerikaner werden bei der Wahl aber das Zünglein an der Waage sein und wenn sich bei ihnen der Eindruck festigt, Biden stünde nicht auf ihrer Seite, bleiben sie weg.

Die Taktik hat bereits Erfolg, in Umfragen holt Trump langsam auf…

Es ist überhaupt nicht ausgeschlossen, dass er die Wahl gewinnt, zumal ja noch etwas dazukommt: Sie werden sehen, dass der eine oder andere Südstaat versuchen wird, gerade schwarze Amerikaner vom Wählen abzuhalten, mit höheren Auflagen oder verkürzten Wahlzeiten. Der Voting Rights Act von 1964, der das verhinderte, wurde ausgerechnet in Barack Obamas Amtszeit geschliffen.

Würden Sie sagen, Trump ist ein Präsident der Weißen?

So stellt er sich dar. Trump könnte der Erste sein, der in den USA ein Apartheidsregime etabliert, in dem eine weiße Minderheit mit allen Mitteln versucht, über eine künftige Mehrheit aus Latinos und Afroamerikanern zu herrschen. Diesen Gedanken würde ich nicht wegschieben.

Sind die Zeiten des tiefen Rassismus nicht längst überwunden?

Wir wissen nicht, wie viele Amerikaner am Ende doch rassistisch ticken. Natürlich sieht es in Umfragen gerade nicht gut aus für Trump, aber niemand verrät gerne, dass er für einen Rassisten stimmt. Was ist also im stillen Wahlkämmerlein? Das ist die große Unbekannte. Ich fürchte, wir könnten bei den Umfragen ähnlich falsch liegen wie vor vier Jahren.

Was, wenn die Wahl am Ende sehr knapp ausgeht?

Trump ist sicher keiner, der das klaglos akzeptieren würde. Wenn er nur den geringsten Zweifel am Wahlergebnis lässt, wird es genug Spinner geben, die versuchen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Der ohnehin große Waffenbesitz im Land hat seit Corona zugenommen. Selbst besonnene Leute sagen, so aufgeladen sei die Stimmung noch nie gewesen. Einen Bürgerkrieg zu befürchten, ist kein Alarmismus.

Interview: Marcus Mäckler

Dr. Josef Braml leitet das Amerika-Programm bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und ist Autor des soeben neu aufgelegten Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch auf seinem Blog „usaexperte.com“.