US-Präsident Donald Trump setzt die ökonomische Stärke für geopolitische Ziele ein, analysiert USA-Experte Josef Braml in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt.
Unterhalb der Schwelle direkter militärischer Konfrontation werden Konflikte zunehmend mit aller Härte mit geo-ökonomischen Mitteln ausgefochten. Handels-, Technologie- oder Finanzpolitik werden als Mittel verstanden, um (geo-)strategische Ziele zu erreichen. Umgekehrt kann die „harte Macht“ wiederum genutzt werden, um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen: Die „unsichtbare Hand“ des Marktes funktioniert besser mit der oft schon leicht sichtbaren Faust in der Tasche. Galt früher eine gegenseitige ökonomische Abhängigkeit im Kant‘schen Sinne als friedensfördernd, macht Interdependenz heute verwundbar und lädt zu Angriffen ein.
Nirgendwo sonst wird das so deutlich wie bei den unterschiedlichen Herangehensweisen der USA gegenüber Nordkorea und dem Iran: Während die nordkoreanische Wirtschaft vom Welthandel mehr oder weniger abgeschottet ist und nur von ihrer Schutzmacht China abhängt, kann das iranische Regime wegen der für sein Überleben notwendigen internationalen Handelsverflechtungen wirtschaftlich von den USA schwer in die Bredouille gebracht werden.
Im Wissen um ihre von China garantierte wirtschaftliche Versorgung, die eigene militärische Stärke und die Verwundbarkeit der USA kann die nordkoreanische Führung der Weltmacht die Stirn bieten. Wenn man die jüngste Geschichte sieht, etwa Trumps Aufkündigung des Nukleardeals mit dem Iran, hat Pjöngjang auch keinen Anreiz, mit Washington wirklich ernsthaft darüber zu verhandeln, seine Nuklearwaffen aufzugeben. Bei nüchterner Betrachtung ist der Nuklearzug in Nordkorea abgefahren: Trump und seine Hardliner, Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo, können das nordkoreanische Regime nur noch eindämmen und nicht mehr seine Nuklearkapazitäten mit Präventivschlägen beseitigen.
Anders sieht die Lage mit Blick auf das iranische Regime aus: Die USA könnten nach ihrer Aufkündigung des Nukleardeals mit dem Iran weitere Konsequenzen folgen lassen. Sollten Trump und seine Sicherheitsberater gar zu der Einschätzung kommen, dass der Iran Atombomben baut, werden sie schnell reagieren und Präventivschläge gegen den Iran durchführen.
Anders als in Asien – wo Tausende US-Soldaten und ihre Angehörige stationiert sind und von einem möglichen Zweitschlag Nordkoreas betroffen sein könnten – schrecken in der Region des Nahen und Mittleren Ostens die außenpolitischen Konsequenzen Trump und sein Kriegskabinett nicht vor einem Waffengang ab. Im Gegenteil: Sie könnten sogar beabsichtigt sein, denn Luftangriffe gegen den Iran würden die Instabilität in einer von den USA weit entfernten Region fördern und seine geo-ökonomischen Rivalen Europa und China schwächen.
Dieses Szenario passt sehr gut zur Geopolitik der Trump-Regierung und stellt im globalen Wettbewerb, ja sogar Handelskrieg, gegen Rivalen wie Europa und China eine weitere Schlacht dar. Europäische Staaten und Firmen, die umfangreiche Geschäfte mit dem Iran unternehmen wollten, sind bereits spürbar von den Sanktionen betroffen, die forciert wurden, seitdem US-Präsident Trump am 8. Mai 2018 das Abkommen einseitig aufkündigte.
Die europäischen Vertragsparteien – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – haben (ebenso wie die Mitunterzeichner Russland und China) bislang daran festgehalten und mittels der am 29. Januar 2019 gegründeten Zweckgesellschaft Instex (Instrument in Support of Trade Exchanges) versucht, die US-Sanktionen zu umgehen und den Zahlungsverkehr für Iran-Geschäfte aufrechtzuerhalten.
Doch Instex erwies sich bislang als wirkungslos gegenüber den US-(Sekundär-) Sanktionen. Europa kann dem geo-ökonomischen Druck der USA nicht standhalten, weil auch europäische Firmen wissen, wo der größere Markt ist: nicht im Iran, sondern in den USA. Wer in den USA Geschäfte machen oder Geschäfte über den Dollar abwickeln will, muss sich wohl oder übel der Wirtschafts- und Militärmacht USA beugen.
Auch in anderen geo-ökonomischen Konfliktfeldern, etwa in den Fällen Huawei oder Nord Stream 2, geht es darum, politisch – das heißt regulatorisch oder mit (Sekundär-)Sanktionen – Energie-, Industrie-/Rüstungsgüter-, Daten- und Finanzströme zu managen oder zu manipulieren. Damit wird die moderne, liberale Grundidee freier Marktwirtschaften, das Win-Win-Denken, preis gegeben zugunsten eines vor-industriellen, merkantilistischen Nullsummendenkens: Einer gewinnt, alle anderen verlieren – ganz nach dem Geschmack von US-Präsident Donald Trump.
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Dr. Josef Braml leitet das USA/Transatlantik-Programm bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und ist Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.