Die Geo-Ökonomie der USA

In den USA wird Geopolitik seit jeher als Geo-Ökonomie verstanden. „Das Hauptanliegen der Amerikaner ist das Geschäft,“ so der oft zitierte Ausspruch des 30. US-Präsidenten Calvin Coolidge (1923–1929). Nach dem Untergang der Sowjetunion als dem Hauptrivalen des Kalten Krieges wollen die USA nunmehr Europas und Chinas Einfluss in der Wirtschafts-, Handels- und Währungspolitik mit allen, auch sicherheitspolitischen Mitteln verhindern. Konsequenz sollte eine aktive Souveränitätspolitik Europas sein, fordert der USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Josef Braml in seinem Schwerpunkt-Beitrag für die Fachzeitschrift Politikum.

Von Obama zu Trump

Anders als sein Amtsvorgänger Barack Obama, der seine ‚Hinwendung nach Asien‘, die Eindämmung Chinas, mit einer ‚Transpazifischen Partnerschaftsinitiative‘ (TPP) handelspolitisch im Verbund mit alliierten Ländern forcieren wollte, setzt US-Präsident Donald Trump auf die Stärke seines Militärs sowie seine nationalistische Wirtschaftspolitik. Dabei nimmt er nicht nur eine Konfrontation mit China, sondern auch Verwerfungen mit Amerikas langjährigen Alliierten in Asien und Europa in Kauf. Diese können sich nur dann weiterhin das Wohlwollen der Schutzmacht sichern, wenn sie in bilateralen Handelsbeziehungen umso mehr Tribut zollten, auch indem sie amerikanische Waffen kaufen und militärisch abhängig bleiben würden.

Bereits mit Obamas TPP-Initiative, die sich explizit nicht an China richtete, haben die USA auf dessen Bemühungen reagiert, die Region Asien in eine Wirtschaftsgemeinschaft zu integrieren. China antwortete wiederum auf die Ausgrenzungsversuche der USA, indem es seinerseits mit dem ‚Regional Comprehensive Economic Partnership‘ (RCEP) ein Forum gründete, zu dem die zehn ASEAN-Staaten sowie Australien, China, Indien, Japan, Südkorea und Neuseeland, nicht jedoch die USA, gehören sollen. Das stärkste Argument der USA, mit dem sie Länder wie Japan dazu bewegen konnten, sich gegen ihre wirtschaftlichen Interessen mit China zu entscheiden und sich der amerikanischen Initiative anzuschließen, die China außen vor lässt, war der Schutzschild der USA.

US-Präsident Obama schaffte es in seiner verbleibenden Amtszeit, inmitten des Wahlkampfes um seine Nachfolge, jedoch nicht mehr, das nötige innenpolitische Kapital aufzubringen, um dem ohnehin protektionistisch eingestellten Kongress dieses umfangreiche Freihandelsabkommen abzuringen. Der ‚Washington Konsensus‘, insbesondere der Freihandel, ist mittlerweile in den USA selbst heftig umstritten: Die ‚unsichtbare Hand‘ des Marktes produziert weltweit Gewinner, aber auch Verlierer, nicht zuletzt in den USA. Die Ideologie freier Märkte hat Gegenbewegungen in Kraft gesetzt, die Nationalismus zur Folge haben. Die Entfremdung von der Politik bot eine Chance für den Demagogen Trump, der die tiefe Abneigung, vor allem vieler Nicht-Wähler, gegen das ‚Establishment‘ erkannte und sie bei den Präsidentschaftswahlen weiter anfeuerte. Er präsentierte sich als Außenseiter, der dank seines privaten Reichtums unabhängig sei und deshalb Washingtons ‚Sumpf austrocknen‘ und Politik für alle Amerikaner und nicht nur für die ‚Globalisten‘, die ‚Davos Community‘ betreiben könne.

America First

Wer hoffte, dass sich Trump als Präsident staatsmännischer und weniger populistisch geben würde, wurde von ihm gleich, in seiner Amtsantrittsrede vom 20. Januar 2017, eines Besseren belehrt: An seine ‚Bewegung‘ gerichtet verurteilte Trump die um ihn versammelten Amts- und Würdenträger der Nation als selbstbezogene Klasse, die es sich auf Kosten der Bürger gut gehen lasse. Insbesondere die Politiker in Washington hätten es versäumt, die Interessen der Amerikaner zu schützen – vor den ‚Verwüstungen, die andere Länder in den USA anrichten‘, indem sie amerikanische ‚Firmen stehlen‘ und ‚Arbeitsplätze vernichten‘. Gemäß seinem Credo ‚America First‘ verkündete Trump zwei einfache Regeln, um Amerika wieder zu Wohlstand und alter Stärke zu führen: ‚Nur amerikanische Güter kaufen und amerikanische Arbeiter einstellen‘. In seiner Inaugurationsrede polterte Donald Trump wie schon im Wahlkampf gegen den Freihandel und drohte mit Zöllen.

Während der neue US-Präsident dem Protektionismus das Wort redete, übte sich Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, etwa auf dem Weltwirtschaftsforum im Januar 2017 in Davos, in internationalistischer Rhetorik, warb für offene Märkte und verteidigte die Globalisierung. Während die USA den Rückzug ins nationalistische Schneckenhaus antreten, scheut China mit seiner umfassenden ‚Seidenstraßeninitiative‘ keine diplomatischen Initiativen und wirtschaftlichen Investitionen, um den Welthandel in seinem Sinne neu zu ordnen.

Chinas wirtschaftlicher Aufstieg und das damit einhergehende militärische Wachstum bestätigen wiederum die Geostrategen in den USA und ihre Verbündeten in Asien, dass das Reich der Mitte Böses im Schilde führt und die ‚Transformation‘ und Modernisierung insbesondere der amerikanischen Streitkräfte forciert werden muss. Denn nur durch die Überlegenheit der USA, nicht zuletzt durch neue zunehmend entmenschlichte, weil autonome Waffensysteme, könne der Rivale abgeschreckt werden.

Trumps Umgang mit Rivalen: teile und herrsche

Politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger sollten sich darauf einstellen, dass die amtierende US-Regierung nicht nur China, sondern auch Europa – und damit die europäische Führungsmacht Deutschland – als Rivalen betrachtet. Sie ist darauf aus, Europa zu teilen, um es besser beherrschen zu können.

Endgültig vorbei ist die gute alte Zeit des Kalten Krieges, als die USA ihre Interessen zugunsten ihren Alliierten noch umfassender definierten. Sie gewährten ihren westlichen Verbündeten öffentliche Güter wie Sicherheit, Freihandel und eine stabile Leitwährung, damit diese keine Gegenmacht bildeten und den USA folgten. Knapp sieben Jahrzehnte diente diese Nachkriegsordnung der westlichen Allianz, allen voran seiner Führungsmacht. Spätestens in Barack Obamas Amtszeit wurde jedoch sichtbar, dass der nicht mehr so liberale Ordnungshüter USA größere, vor allem innere Probleme hatte, die Führungsleistungen zu erbringen.

US-Präsident Donald Trump zerstört nun willentlich die liberale Restordnung. Denn Trump und seine Sicherheits- und Wirtschaftsberater meinen, dass diese ohnehin nur noch Amerikas ‚Feinden‘, allen voran China und Europa, hilft. Sie wähnen sich in einer ‚realistischen‘ Welt, in der Unternehmen gegen Unternehmen und Staaten gegen Staaten kämpfen. In dieser Sicht – die auch Russlands und Chinas Geostrategen nicht fremd ist – haben Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen. In diesem Nullsummendenken gibt es keine gemeinsamen Interessen: Trump denkt, er könne Amerikas Interessen nur auf Kosten aller anderen durchsetzen.

In Trumps Weltsicht spielt Diplomatie keine Rolle mehr; umso wichtiger hingegen ist Militärmacht. Die Vereinten Nationen, die Welthandelsorganisation (WTO), die NATO und all die anderen internationalen Strukturen, die die USA nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben, sind für die amtierende US-Regierung nicht mehr wichtig, ja sogar hinderlich. Wenn die regelbasierte Ordnung, die internationale „Rule of Law“, zerstört ist, dann gilt das Recht des Stärkeren, nämlich der nach wie vor größten Militärmacht USA.

Militärmacht als kompetitiver Wettbewerbsvorteil

Das in der aktuellen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA nunmehr explizit als „realistisch“ bezeichnete Politikverständnis von US-Präsident Trump und seiner Sicherheits- und Wirtschaftsberater widerspricht der in Deutschland bevorzugten liberal internationalistischen Vorstellung einer regelbasierten Weltordnung, in der internationale Organisationen, das Völkerrecht und das Gleichheitsprinzip der VN-Charta eine zentrale Rolle spielen. In der sozialdarwinistisch anmutenden Weltsicht Trumps, in der maximale militärische Macht das Recht des Stärkeren und somit die Dominanz der USA begründet, sind multilaterale Organisationen ein Hindernis: Sie sind schließlich darauf ausgerichtet, internationalem Recht zur Stärke zu verhelfen, auszugleichen, den Stimmen auch der – nach Trumps Meinung – Schwächeren im Konzert der Nationen Geltung zu verschaffen.

US-Präsident Trump hat vor allem das multilaterale Welthandelssystem immer wieder als schlechten Deal für Amerika dargestellt. Indem er auch in diesem Politikfeld die militärische Trumpfkarte zieht und Strafzölle – zunächst auf Stahl und Aluminium – mit nationaler Sicherheit begründet, setzt Trump nicht nur seine handelspolitischen Ziele durch, sondern er untergräbt auch die Welthandelsorganisation (WTO).

Zunächst hat die Trump-Administration davon abgesehen, über Stahl und Aluminium hinausgehend auch deutsche Automobile als nationale Sicherheitsbedrohung zu deklarieren. Denn EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte sich am 25. Juli 2018 beim Gipfel in Washington bereit, der Schutzmacht Tribut zu leisten: So solle Europa anstelle russischer Gaslieferungen künftig teureres Flüssiggas aus den USA beziehen.

Dass Amerikas ‚Feinde‘, die EU und China, die Weltmacht bei der WTO verklagten, bestätigte indes nur Trumps darwinistisches Weltbild. Sein taktisches Zugeständnis einer WTO-Reform könnte bald schon wieder der Drohung weichen, die Welthandelsorganisation für irrelevant zu erklären.

Selbst im besten Fall würde sich ein Schiedsverfahren lange hinziehen. Viel folgenreicher aber ist der Paradigmenwechsel, den Trump mit seiner Verquickung von Handels- und Sicherheitspolitik vollzieht: Denn es ist fraglich, ob die WTO überhaupt Streitigkeiten über Handelsmaßnahmen schlichten kann, die mit nationaler Sicherheit begründet werden. Dem Beispiel der USA folgend, könnten andere Länder ihrerseits Zölle im Namen ihrer nationalen Sicherheit erheben. Das wäre schnell das Ende einer durch die WTO geregelten internationalen Handelsordnung.

In der NATO gleichen die Strafzölle sogar einem Erpressungsmanöver. In seiner Vermischung von Handels- und Sicherheitspolitik nimmt Trump Amerikas NATO-Partner weniger als Verbündete denn als Gefährder wahr: Er sieht ihre Exporte in die USA als nationale Bedrohung. Eine Ausnahme von Strafzöllen können die europäischen Handelspartner demnach nur erbitten, indem sie nachweisen, dass sie ihre Import-/Export-Bilanz zugunsten der USA verändern.

Europäische Verbündete können wohl nur dann das Wohlwollen Trumps erwirken, wenn sie amerikanische Rüstungsgüter kaufen, damit technologisch abhängig bleiben und zudem das amerikanische Handelsdefizit verringern helfen. Wer weiterhin den Schutz der USA beanspruchen will, muss dafür künftig mehr zahlen – und diesen Tribut nicht nur durch seinen Beitrag zur Sicherheitspolitik, sondern auch in der Handelspolitik zollen.

Militärmacht bietet den ‚kompetitiven Wettbewerbsvorteil‘ schlechthin: Sie dient dazu, um im härter werdenden internationalen Wettbewerb zu gewinnen – mit dem Recht des Stärkeren und zwangsläufig auf Kosten aller anderen Nationen.

Deutsche Politiker und Unternehmer sollten auf der Hut sein, weil Trump ohnehin der Ansicht ist, dass Deutschland als Führungsmacht Europa dazu missbrauche, seine eigenen Interessen durchzusetzen und die Europäische Union geschaffen worden sei, um den Vereinigten Staaten wirtschaftlich zu schaden. Indem Trump, etwa in einem Interview, das er am 15. Januar 2017 BILD gab, auch europakritischen Stimmen auf dem Alten Kontinent das Wort redete, unternahm er bereits Versuche, mit einer Strategie des ‚teile und herrsche‘ die Konkurrenz zu schwächen.

Streitthema handelspolitische Ungleichgewichte

Mit Blick auf eine umfassendere volkswirtschaftliche Betrachtung gleicht Trumps Kritik am Außenhandelsüberschuss Deutschlands und an seiner mangelnden Bereitschaft, mehr Geld (namentlich zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung) für (amerikanische) Rüstung auszugeben, einer Milchjungenrechnung. Wenn die USA weiterhin auf Pump leben wollen, dann brauchen sie jemanden, der das bezahlt. Die USA können nur über ihre Verhältnisse rüsten und wirtschaften, solange exportstarke Länder wie Deutschland bereit sind, den überzogenen Lebensstandard der USA mitzufinanzieren und ihrerseits auf Konsum und Investitionen verzichten.

So naheliegend es erscheint, auf Zollschranken der USA ebenso mit Abschottung und Gegenzöllen zu reagieren, so gefährlich wäre dieses Handeln. Eine weitere Eskalation würde vor allem exportorientierten Ländern wie Deutschland schaden. Es könnte die Weltwirtschaft in eine nachhaltige Depression wie in den 1930er Jahren stürzen – mit den bekannten Folgen.

Besonnener – und am Ende zielführender – wäre es, die politische und ökonomische Problematik von Handelsungleichgewichten anzuerkennen und abzubauen. Denn darin eröffnen sich Chancen für Deutschland und Europa.

Dauerhafte Handelsungleichgewichte sind ein politisches Problem. In Ländern mit negativer Handelsbilanz führen sie zur Wahrnehmung, das Ausland raube ihnen ihre Industrie. Sie nähren damit zugleich die Illusion, von Protektionismus profitieren zu können. Ähnlich wie schon in Großbritannien beim Brexit-Referendum rebellierte bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 das deindustrialisierte Land gegen die Metropole. Trump konnte seinen Wahlsieg gegen das vermeintliche Washingtoner Establishment und die ‚Globalisten‘ vor allem mit dem Versprechen gewinnen, die von den USA forcierte Globalisierung umzukehren.

Dauerhafte Handelsungleichgewichte sind aber auch ein ökonomisches Problem. Überschussländer wie Deutschland sollten mehr Binnennachfrage generieren, Haushaltsüberschüsse vermeiden und die Investitionsbedingungen verbessern. Damit könnten die globalen Ungleichgewichte nach und nach abgebaut werden. Indem Überschussländer wie Deutschland fiskalpolitische Anreize geben, um Ersparnisse stärker im eigenen Land zu investieren, würden Handelsungleichgewichte ausgeglichen. Im Vergleich zu anderen Industriestaaten hat Deutschland derzeit eine der niedrigsten Quoten für öffentliche Investitionen. Auch der deutsche Staat kann also mehr im eigenen Land investieren – in Schulen und Bildung, in die öffentliche Infrastruktur und die Digitalisierung, in Stromnetze, Straßen und beim Aufbau eines flächendeckenden Gigabit-Glasfasernetzes.

Firmen und institutionelle Anleger könnten ihrerseits zur Verbesserung des Kapitalstocks in Deutschland und Europa beitragen, indem sie mehr Geld in die Binneninfrastruktur investieren und weniger in den USA – zumal dort über kurz oder lang ohnehin eine Entwertung ihrer Anlagen droht, wenn die privaten und staatlichen Schulden in den USA weiter aus dem Ruder laufen. Schon seit Längerem warnt das ‚Congressional Budget Office‘, eine überparteiliche Behörde, dass der steigende Schuldenberg substanzielle Risiken für das Land berge. Es drohe ein Finanzkollaps, der die Handlungsfähigkeit des Staates lahmlegen könne.

Mangels Fremdfinanzierung würde auch der Druck auf die USA erhöht, besser zu haushalten. Denn es sind vor allem auch Defizitländer wie die USA, die durch ihr riskantes Finanzgebaren makroökonomische Ungleichgewichte befördern: 2007/2008 haben sie damit die Weltwirtschaft kurz vor den Kollaps geführt und auch viele deutsche Anleger um ihre Vermögen gebracht.

Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu verhindern, dass die erneut anschwellenden makroökonomischen Ungleichgewichte wieder durch einen größeren Schock korrigiert werden, der die Weltwirtschaft und auch Europas politische Systeme einmal mehr in die Krise stürzt. Europa im globalen geo-ökonomischen Wettbewerb besser aufzustellen, ist das Gebot der Stunde.

Was tun? Europa souverän denken!

Wenn die Europäer von den Amerikanern ernst genommen werden wollen, müssen sie als Europäer souveräner denken lernen. Das heißt jedoch nicht, dass Europa die USA im Gegenzug auch als Rivalen ansehen und ‚Gegenmacht‘ bilden muss. Das ist nicht zu empfehlen, allein schon, wenn man sich das militärische Machtgefälle ansieht.

Es ist aber höchste Zeit, ein ‚Europe United‘, ein Kerneuropa zu bilden – das auch anderen Ländern die Tür offenhält, bis sie so weit sind.Denn mit Nationalisten, die bereits an einigen Regierungen in Europa beteiligt sind, ist es schwierig, eine politische Union zu schaffen. Es dürfte aber eine Frage der Zeit sein, bis auch die Verantwortlichen dieser Länder begreifen, dass amerikanische Nationalisten wie Trumps ehemaliger Wahlkampfberater und Chefstratege Stephen Bannon mit ihrer ‚Bewegung‘ den Europäern nur helfen wollen, sich einmal mehr selbst zu schaden. Auch die amtierende US-Regierung versucht, die Europäische Union zu spalten, um die handels- und währungspolitische Konkurrenz zu schwächen.

Umso mehr muss jetzt der Geburtsfehler der Europäischen Union, namentlich die Bildung einer Wirtschaftsunion ohne politische Union, behoben werden. Ein  europäischer Finanzminister, regelbasierter Finanzausgleich, eine gemeinsame Arbeitslosen- und Einlagenversicherung, Bankenunion sowie ein Währungsfonds wären konsequente nächste Schritte: Indem der Euro politisch gestärkt und als Weltwährung etabliert wird, finden auch ausländische Anleger einen sicheren Hafen.

Um Trumps Forderungen nach höheren Militärausgaben zu entkräften und für die eigene Sicherheit zu sorgen, sollten europäische Regierungen einen Verteidigungsfonds etablieren, um gemeinsame Rüstungsanstrengungen zu ermöglichen. Europa sollte die Drohung von US-Präsident Trump ernst nehmen, dass die USA ihren Schutzverpflichtungen gegenüber ihren europäischen Verbündeten nicht mehr nachkommen werden, wenn diese nicht bereit sind, selbst mehr Lasten zu schultern.

Gleichwohl könnten die Europäer auch in Sicherheitsfragen selbstbewusster auftreten, indem sie den Verantwortlichen in Washington erläutern, dass sich die USA seit Jahrzehnten nur deshalb ihre exorbitante Rüstung haben leisten können, weil ausländische Kreditgeber – lange Zeit China und Japan, und seit der Finanzkrise 2007/2008 vermehrt die Golf- und EU-Staaten – bereit gewesen sind, die zunehmende Verschuldung privater und Staats-Haushalte in den USA zu finanzieren.

Europa, allen voran die europäische ‚Friedensmacht‘ Deutschland, sollte sich im eigenen Interesse auf das immer deutlicher werdende Feindbild der USA einstellen. Besonders gefährlich wird es für die USA, wenn die Chinesen und Europäer durch ihre Wirtschafts-, Handels- und Währungspolitiken weiterhin die Dominanz des Dollars schwächen und damit das Wirtschaftsmodell der Weltmacht herausfordern sollten, das auch Grundlage ihrer militärischen Stärke ist.

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog usaexperte.com.

Weiterführende Literatur:

Braml, Josef 2018: Die Geoökonomie der USA: Globales Wettrüsten gegen China. In: Staack, Michael/Grothen, David (Hg.): China und Indien im regionalen und globalen Umfeld. Opladen/Berlin/Toronto, S. 99–118.

Braml, Josef 2018: Legitimationskrise des politischen und wirtschaftlichen Systems der USA. In: Gellner, Winand/Oswald, Michael (Hg.): Die gespaltenen Staaten von Amerika. Die Wahl Donald Trumps und die Folgen für Politik und Gesellschaft. Wiesbaden, S. 237–254.

Braml, Josef 2017: Militärisch-industrieller Komplex. In: Jäger, Thomas (Hg.): Die Außenpolitik der USA. Eine Einführung. Wiesbaden, S. 85–102.

Braml, Josef 2016: Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit. Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und die Folgen für Europa. Berlin/Köln (aktualisierte Neuausgabe).

Braml, Josef 2012: Der amerikanische Patient. Was der drohende Kollaps der USA für die Welt bedeutet. München.

White House: A New National Security Strategy for a New Era, 18.12.2017, ˂https://www.whitehouse.gov/articles/new-national-security-strategy-new-era˃