Trumps Gipfel-Poker mit Nordkoreas Kim Jong Un

US-Präsident Donald Trump hat das geplante Gipfeltreffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un überraschend abgesagt, oder doch nicht? Erst Nein, dann wieder Ja – Donald Trump lässt Kim Jong Un zappeln. Doch es geht um einen historischen Gipfel. Was wirklich dahinter steckt, erklärt USA-Experte Dr. Josef Braml in einem tz-Interview mit Wolfgang DePonte.

Der Traum vom Frieden! Für die Menschen in Süd- und Nordkorea ist er wieder einmal geplatzt. Nachdem US-Präsident Donald Trump das für 12. Juni geplante Gipfeltreffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un überraschend abgesagt hat, bekundeten am Freitag Politiker aus aller Welt ihr Bedauern – und kurz darauf keimte neue Hoffnung: Denn Nordkorea signalisiert weiterhin Gesprächsbereitschaft und Trump begrüßte diese „produktive, warmherzige“ Reaktion aus Pjöngjang und überraschte mit einer erneuten Kehrtwende: Das Treffen am 12. Juni sei immer noch möglich!

Nordkorea hatte nur wenige Stunden vor seiner Absage am Donnerstag sein Atomtestgelände Punggye-ri durch Sprengungen unbrauchbar gemacht. Ein symbolischer Schritt, der die Bereitschaft zur Denuklearisierung demonstrieren soll. „Jeder spielt Spiele“, sagte Donald Trump gestern. Aber wer gewinnt sie? Die tz sprach mit Dr. Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, ­Autor und Blogger ­(usaexperte.com).

Sind Sie überrascht, dass der Gipfel geplatzt ist?

Dr. Josef Braml: Nein, für mich war überraschend, dass es überhaupt einen Gipfel geben sollte.

Können Sie das erklären?

Dr. Braml: Man fragt sich schon, warum sich der nordkoreanische Führer jetzt auf Verhandlungen mit Trump einlässt, obwohl er sieht, dass andere Verhandlungsergebnisse, wie die der Amerikaner mit dem Iran, für null und nichtig erklärt werden. Eigentlich müsste Kim wissen, dass seine einzige Lebensversicherung die Nuklearwaffen, seine Zweitschlagskapazität sind, Vor allem, wenn man sich ansieht, was aus den Staaten geworden ist, die ihre Nuklearwaffen preisgegeben haben.

Woran denken Sie?

Dr. Braml: Ich denke an das Beispiel, das Trumps Sicherheitsberater John Bolton ins Spiel gebracht hat: Libyen, Gaddafi. Trump hat versucht, die Nordkoreaner ins Boxhorn zu jagen. indem er so tat, als ob er zu allem fähig sei – auch dazu, Nordkorea präventiv zu bombardieren. Davon hat sich Kim nicht beeindrucken lassen. Er weiß genau, dass Trump dies nicht tun kann. Denn davon wären dann nicht nur Millionen Menschen in Seoul/Südkorea betroffen, die in Schlagweite sind, sondern auch US-Soldaten, die dort stationiert sind.

Das heißt…

Dr. Braml:  … Dass die USA nun nicht mehr viel dagegen machen können, dass Nordkorea eine Nuklearmacht ist.

Trumps Politik ist umstritten –  aber vielleicht doch eine Chance, zementierte Strukturen aufzubrechen?

Dr. Braml: Die Zeit der Regeln und der Diplomatie ist vorbei. Die internationale Ordnung, die Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat, wird jetzt von Amerika zerstört. Jetzt zählt das Recht des Stärkeren. Trump lebt in dieser neuen geopolitischen Welt, in der Unternehmen gegen Unternehmen kämpfen, Staat gegen Staat – und in der Staaten keine Freunde haben, sondern sich gegenseitig übervorteilen. Der mit dem größten Militärhammer hat das Sagen. An diese Welt sollten wir uns gewöhnen. Die Chinesen ticken ebenfalls nach diesem Muster – auch wenn sie von Win-win und Harmonie reden. Diese Form der Politik hat aber nicht erst mit Trump begonnen, in Amerika hat sich dies auch schon unter Obama angedeutet. Und die Russen waren ohnehin noch nie anders.

Was heißt das für Europa?

Dr. Braml: Dass wir endlich aufwachen müssen, um in dieser Welt nicht an den Rand gedrängt zu werden.

Klingt nicht gut.

Dr. Braml: Ich bin nicht pessimistisch. Aber was Nordkorea angeht, ist der Zug abgefahren. Dieses Regime kannst Du nur noch eindämmen. Wo’s gefährlich wird, ist der Iran. Der hat noch keine Nuklearwaffen und wird sie auch nicht erhalten. Ich rechne damit, dass Amerika – und Israel vielleicht auch – Präventivschläge gegen den Iran vornehmen werden.

Ist Trump mit dieser Art Politik wirklich erfolgreich?

Dr. Braml: Wenn sein Ziel die Wiederwahl ist, ist er auf gutem Weg. Er hat in den USA schon viel verändert, Leistungen des Staates radikal zurückgefahren. Viele unterstützen diesen Weg, auch mächtige Geldgeber. Trump ist ein Unternehmer. Wenn er zehn Sachen anpackt, von denen zwei, drei gut gehen, und eines davon seine Wiederwahl ist, dann glaube ich, dass ihm das reicht. Aber wir werden demnächst richtig in die Bredouille kommen, nicht nur wegen der Aufkündigung des Iran-Deals und den Sanktionen, die vor allem deutsche Firmen treffen werden, sondern auch, wenn am 1. Juni erneut die Entscheidung ansteht, ob Trump weiter Aufschub für die Strafzölle im Stahl- und Aluminium-Bereich gewährt oder nicht. Ich rechne nicht damit. Und wenn wir dann zurückschlagen sollten, wird es unsere Automobilindustrie treffen. Da gab’s auch viel Wunschdenken und das müsste jetzt abgelegt werden. Wir sollten Trump sehr ernst nehmen.

Wird Europa eine Antwort auf Trump finden?

Dr. Braml: Lassen Sie’s mich positiv formulieren: Aus einer Krise kann ja auch etwas Gutes entstehen. Vielleicht brauchen wir die Bedrohung von außen, um zu begreifen, dass wir unsere nationalen Egoismen überwinden müssen, um aus der Wirtschafts- eine politische Union zu machen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.

Wer kann Europa führen?

Dr. Braml: Macron. Und ich hoffe, er kann unsere Zauderer mitreißen, Europa gemeinsam aufzustellen.

Welche Überschrift könnte die Ära Trump einmal haben?

Dr. Braml: Eine Chance für Europa!

Interview: W. de Ponte

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog „usaexperte.com“.